Mondberge - Ein Afrika-Thriller
eine Gruppe aus Schweden geführt.«
Sie hatten sich in den Schnee gesetzt. Tom spürte nun auch sein linkes Bein nicht mehr. Er hob vorsichtig den Kopf und bemerkte sie sofort wieder. Mindestens fünf Schatten waren es jetzt, die ihn umkreisten. Bemerkten die anderen das denn nicht?
»Det finns egendomliga skuggar omkring oss.« Er versuchte sich aufzurichten, doch sein linker Arm machte die Bewegung nicht mit, sodass er mit dem Gesicht im Schnee landete. »Bergets andar finns omkring oss.« Andrea half ihm, sich aus dem Schnee wieder aufzurappeln.
»Lass uns weitergehen – je tiefer wir kommen, desto besser wird es ihm gehen.« Peters Stimme.
Arme schoben sich unter seine Achseln, hievten ihn hoch und schleiften ihn weiter. Das linke Bein versagte vollkommen den Dienst. Die Betäubung arbeitete sich allmählich von dort in den Rumpf vor.
Die weiße Fläche wurde von einzelnen Felsen unterbrochen, die eine Orientierung leichter machten. Tom gelang es immer öfter, die Augen für ein paar Sekunden offen zu halten. Eine schmerzhafte Beklemmung machte sich in seiner Brust breit. Er spürte, dass er sterben könnte. Sie wollten ihm das Leben nehmen. Unwiederbringlich. Sie hatten es auf ihn abgesehen. Ein ganzes Rudel lauerte nun schon auf ihn. Zottelige Haare wuchsen ihnen aus allen Körperteilen. Und ihre Augen waren ununterbrochen auf ihn gerichtet. Ihn wollten sie haben. Die Geister. Die Schatten. Er trug die Schuld an Jens’ Tod.
Toms Magen verkrampfte sich. Wieder einmal stieg Übelkeit in ihm hoch. Bittere Galle schwappte in seinen Mund. Er erbrach sich. Einmal, zweimal, dann röchelte er, rang krächzend nach Luft. Er wollte sterben.
»Låt mig vara. Jag orkar inte längre.« Er schüttelte die Arme von Peter und Andrea ab, wollte sie wegstoßen, aber er griff ins Leere, stürzte wieder in den Schnee. »Lämna mig här. Gå tillbaka. Snabbt!« Zwei menschliche Augenpaare sahen ihn hilflos an. Peter griff nach Toms Arm, aber der rollte sich schlaff zur Seite. »Ser du inte faran? Andarna är omkring oss. Väsen kommer att döda oss. Ser ni inte det?«
Die Schatten zogen sich zu einem immer engeren Kreis um ihn zusammen. Tom hörte ihren geifernden Atem. Eiskalt fuhr es ihm durch die Glieder. Sie wollten ihn holen. Er richtete seinen Kopf auf, um der Gefahr in die Augen zu sehen. Sie waren nicht mehr weit entfernt. Immer wieder schwankten sie, der Boden bewegte sich. Hinter den Geistern stand eine Gestalt. Aufrecht. Jung. Hell. Wie damals. Jens blickte über die Schatten hinweg zu ihm hinüber. Was wollte sein Bruder von ihm? Die verschneite Umgebung verschwamm.
Lachend liefen Tom und Jens durch die erstarrte Landschaft, bis sie an den Fluss kamen, dessen Oberfläche vollkommen mit Eis bedeckt war. Ihre Beine trugen sie immer schneller am Ufer entlang, über die vereiste Brücke, auf der sie schlitterten und rutschten, bis auf die andere Seite des Flusses. Das Dorf hatten sie weit hinter sich gelassen; sie stapften über die steifen Furchen des Ackers, kletterten den Abhang zum zugefrorenen Wasser hinunter, stampften auf die Eisfläche, die sich als dicke Schicht vor ihnen ausbreitete. Tom wagte sich ein paar Schritte hinaus, prüfte bei jedem Schritt, ob das Eis fest genug war. Jens rief ihm zu, er solle zurückkommen, Mutter habe das verboten. Tom lachte nur. Er trampelte auf der glasklaren Fläche herum, begann zu hüpfen und zu jubeln. »Komm!«, rief er. »Komm, das ist meterdick.« Er wandte sich um, begann in seinen Schuhen eiszulaufen, rutschte, johlte und rief immer wieder. Doch Jens kam nicht nach. »Sie hat’s verboten.« Der kleine Angsthase. Ja, das war er. Tom rannte zu ihm, zog an seinem Arm, lachend, lockend. Und schließlich machte Jens die ersten vorsichtigen Schritte auf das Eis. Es hielt. Natürlich hielt es, seit Wochen war es bitterkalt. So kalt, dass noch nicht einmal Schnee gefallen war. Jens wurde immer mutiger, rannte, schlidderte, rutschte, begann ebenfalls zu johlen und zu schreien. Sie drehten ihre Runden wie ein Paar beim Eiskunstlauf. Eine Kür! Drehungen, Sprünge. Dann eine Pirouette. Gemeinsam sprangen sie so hoch sie konnten.
Knirschend gab das Eis nach, und augenblicklich schlug das Wasser über Toms Kopf zusammen und nahm ihm den Atem. Direkt vor ihm erschien das Gesicht von Jens, panisch, die Augen weit aufgerissen, der Mund öffnete sich, eine Hand griff nach Tom, das Gesicht verzog sich zu einer Fratze, dann verschwand es aus seinem Sichtfeld.
»Jens!«,
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