Mondberge - Ein Afrika-Thriller
saß er nun da.
»Was vermuten Sie, sind die Gründe für dieses Verhalten? Wollte Hans Meyer die Familie von Schellenburg erpressen? Hat er etwas mit den Geiselnehmern zu tun? Hat er die Geiselnahme eventuell sogar organisiert?«, fragte er.
Wiese wiegte den Kopf hin und her. »Das ist – glaube ich – zu einfach gedacht. Sie haben die Fotos von Meyers Haus gesehen. Er ist selbst sehr betucht. Es ergibt keinen Sinn, dass er jemanden aus der Familie von Schellenburg entführt, um Geld zu erpressen. Vor allem hätte er das viel einfacher haben können. Nein, ich glaube, dass da etwas viel Elementareres dahinter steckt.«
»Und was könnte das sein?«
»Neid, Missgunst, Rache – das sind die Kategorien, in denen ich gerade denke.«
»Also gibt es keine Verbindung zu den Entführern?«
»Ich denke, dass es eine solche zumindest nicht originär gegeben hat. Aufgrund des fingierten Lebenszeichens von Andrea von Schellenburg glaube ich, dass sich die Situation in Uganda verschärft hat; die Fronten müssen sich verschoben haben. Ich gehe davon aus, dass Hans Meyer mittlerweile irgendwie mit den Geiselnehmern gemeinsame Sache macht und von Schellenburg mit den Namen der ehemaligen Freunde einen ganz persönlichen Hinweis gegeben hat. So weiß unser Generalbundesanwalt nun, dass dort unten in Ostafrika nicht nur eine Gruppe von kaltblütigen Entführern sitzt, sondern auch ein persönlicher Erzfeind von ihm, der seine eigenen Ziele hat. Rache scheint mir dabei ein starkes Motiv zu sein. Das hat zur Folge, dass unser Verhandlungspartner unberechenbar ist.«
»Welche Konsequenzen hat das für uns?«
»Das bedeutet für uns hier, dass wir es nicht nur mit einem Gegner zu tun haben, sondern mit einer vielköpfigen Schlange, die sich gerade in alle Richtungen windet.«
In diesem Moment öffnete sich die Tür, und Okut Kiguli trat in den Raum, murmelte eine Begrüßung und setzte sich wie selbstverständlich an seinen Platz. Er sah unschuldig in die Runde, bis er auf Wieses Blick traf. Der reagierte sofort.
»Herr Kiguli, wie schön, Sie wieder in unserer Mitte zu haben. Was sagt Ihre Regierung zu einem Eingreifen der GSG 9 auf ugandischem Territorium?«
Der Botschafter kramte in seinen Unterlagen.
»Meine Regierung schlägt vor, ein eigenes Team zur Rettung der Geiseln einzusetzen.«
»Vielen Dank, Herr Kiguli«, sagte Wiese. »Wir haben in der Zwischenzeit ein Abkommen mit der Regierung der Demokratischen Republik Kongo getroffen und agieren von dort aus.«
Er blickte einen Moment sinnierend zur Decke des Raums, als gäbe es dort etwas anderes zu sehen als rohen Sichtbeton. Dann sagte er leise: »Ach, und eben habe ich mit Sebastian Teichel gesprochen. Er wird von nun an alle Informationen direkt von uns bekommen, Sie brauchen sich also nicht mehr die Mühe zu machen, ihn zu kontak - tieren.«
Die Reaktion kam prompt. Der Botschafter sprang auf und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Was erlauben Sie sich! Sie unterstellen mir, dass ich mit der Presse gesprochen habe? Das ist eine Unverfrorenheit. Das wird Konsequenzen haben!«
»Nanu«, rief Sven aus. »Dann wissen Sie also, wer Sebastian Teichel ist? Das interessiert mich sehr – woher kennen Sie ihn?«
»Selbstverständlich kenne ich die wichtigen Journalisten in der deutschen Bundeshauptstadt ...«
»Sie sollten sich genauer erkundigen, mit wem Sie verhandeln. Teichel ist eine kleine Nummer, arbeitet freiberuflich für ein Schmierblatt. Er ist weit davon entfernt, ein wichtiger Journalist zu sein. Durch Zufall ist er an diese Geschichte geraten, und sein Verhalten entspricht in keiner Weise dem eines professionellen Journalisten. Und welches Ziel verfolgen Sie, indem Sie Informationen aus diesem Kreis, die streng vertraulich sind, herausgeben?«
»Ich denke, dass ich Ihnen darüber keine Rechenschaft schuldig bin«, antwortete der Botschafter kühl. »Es ist Ihr gutes Recht, mit Kinshasa zusammenzuarbeiten und nicht mit meiner Regierung. Wenn Sie keinen Wert darauf legen, dass ich weiter an diesen Sitzungen teilnehme, dann werde ich meine kostbare Zeit auch nicht länger opfern. Ich habe viele andere wichtige Dinge zu tun.« Kiguli stand auf.
Wiese ließ den Blick über seine Papiere gleiten. Was war denn nur mit ihm los? Heute legte er sich offenbar mit jedem an. Aber es war doch auch schlicht und einfach zum Kotzen, dass diese Leute ihr eigenes Ding drehen und ihn dann auch noch für dumm verkaufen wollten! Er atmete tief durch und dachte
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