Mondberge - Ein Afrika-Thriller
wir hier in den Händen halten, gefielen Johannes besonders gut. Also hat er sie von Amin bekommen. Gegen den Protest des Clans, für den sie heilig waren. Vier Stück hatte Johannes, drei hat er verschenkt. Einer ging per Post nach Deutschland zu Hans, zwei hat er Stefan und mir persönlich überreicht. Als Erinnerung an unsere Freundschaft.«
Andrea blickte bestürzt in die Runde. »Warum ist er dann aus Uganda weggegangen?«, wollte sie wissen.
»Genau weiß ich das nicht, denn ich habe ihn nie wieder persönlich getroffen. Aber es muss wohl Unstimmigkeiten zwischen ihm und Amin gegeben haben. Dass Amin in solchen Fällen nicht lang fackelte, hat Johannes vermutlich gewusst. Er hat es irgendwie geschafft, das Land heimlich zu verlassen.«
»Hatte mein Vater eine Freundin, als er das Land verließ?«, fragte Andrea heiser.
»Ja, ich glaube sie hieß Nakirya.«
Jetzt war es Peter, der leise aufstöhnte.
»Und sie hatten einen gemeinsamen Sohn«, setzte Georg hinzu.
»Scheiße«, murmelte Peter. Als Andrea ihm die Hand auf den Arm legte, schob er sie brüsk von sich.
»Was ist mit den beiden geschehen?«, fragte sie Georg.
»Das weiß ich nicht«, antwortete der. »Im Frühjahr 1971 war die Lage in diesem Land chaotisch. Viele Familien wurden auseinandergerissen. Unzählige Menschen wurden schon in den ersten Wochen hingerichtet. Zum Teil aus völlig nichtigen Gründen. Das halbe Land war auf der Flucht.«
»Und mein Vater ist nach Deutschland zurückgekehrt.«
»Ja, er ist zurückgekehrt und hat alles, was hier geschehen ist, hinter sich gelassen.«
»Was hatte Stefan denn dann vor, wenn Mbusa sagt, er wollte jemanden zur Rechenschaft ziehen?«, fragte Tom, obwohl er schon ahnte, was es war.
»Er hat oft davon gesprochen, irgendwann einmal die Wahrheit auf den Tisch zu legen. Er hat Johannes wohl auch zwei oder dreimal geschrieben, aber niemals eine Antwort bekommen«, meinte Georg.
»Wenn er aber in Ruhija gelebt hat, wie ist er dann hier in die Berge gelangt?«, fragte Tom weiter.
»Er wollte nachweisen, dass es im Ruwenzori Berggorillas gibt«, antwortete Georg nachdenklich. »Ich vermute, dass er das Flugzeug gechartert hat, um die Gegend aus der Luft zu sehen.«
»Das Flugzeug war eine Maschine der UN«, sagte Peter. »Es sollte Hilfsgüter in den Kongo bringen. Dann ist es aber dort oben abgestürzt.«
»Ich habe Einschusslöcher gesehen, als wir daran vorbeigegangen sind«, sagte Tom leise, der in diesem Moment einen Zusammenhang erkannte. »Das Flugzeug ist also tatsächlich abgeschossen worden.« Er guckte Andrea an. »Und ich befürchte, es ist abgeschossen worden, weil Stefan, der deinem Vater gedroht hatte, darin saß.«
Fassungslos sah Andrea ihn an.
»Mein Vater hat den Befehl zum Abschuss dieses Flugzeugs gegeben?«
» Unser Vater«, sagte Peter tonlos und leitete damit ein beklommenes Schweigen ein.
Schließlich unterbrach Tom die Stille: »Wenn diese Figur Hans gehört hat, dann war er es auch, der sie in der Nacht vor Andreas Zimmer in Nyakalengija verloren hat. Was hat er dort getan?«
»Kein Ahnung«, gab Georg zurück.
»Das ist doch noch nicht alles«, sagte Andrea. »Georg, du verheimlichst uns doch noch etwas.«
»Das ist alles, was ich weiß.« Georg wirkte plötzlich sehr verschlossen.
»Ich hatte schon lange den Eindruck, dass wir Hans nicht trauen können«, warf Peter ein.
»Er hat sich komisch verhalten. Irgendwie sonderbar.«
»So ein Quatsch«, hob Georg energisch an. »Mein Bruder ist sicherlich schrullig, aber das ist auch alles. Er ist nicht gefährlich.«
Die Musik und die Gesänge aus dem Dorf klangen lauter zu den Diskutierenden herüber, als sei es eine Mahnung, kein unnötiges Wort mehr zu verlieren und alles daranzusetzen, schnell zu fliehen. Die Dunkelheit war mittlerweile über sie hereingebrochen.
»Was muss ich also tun, damit ich unbeschadet durch die Höhle komme?«, fragte Tom Mbusa.
»Du musst dich erinnern. Das ist erst mal alles.«
»Erinnern?«
»Daran, was mit deinem Bruder wirklich geschehen ist.«
»Aber wie denn? Ich habe dir doch schon gesagt ...«
»Die Pflanzen, die die Erinnerung zurückbringen können. Ich weiß jetzt, welche das sind und wie wir das tun können.«
»Dann lass uns nicht lange warten.«
»Sobald die Zeremonie begonnen hat, werden wir mit einem Boot über den See fahren und die Prozedur drüben im Wald durchführen.«
»Warum nicht jetzt und hier?«
»Weil niemand aus dem Dorf etwas davon mitbekommen
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