Mondberge - Ein Afrika-Thriller
darf. Warte hier am Ufer auf mich, ich werde kommen, sobald alle beschäftigt sind.«
Mit vorsichtigen Schritten schlich Mbusa in Richtung Dorf davon und tauchte bald in das Licht der Lagerfeuer auf dem Platz ein.
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Berlin, 20. Juni
Die erste Rückmeldung aus Uganda war ernüchternd: Die GSG 9 hatte das Gebiet, das grundsätzlich für die Geiselnahme infrage kam, weiträumig überflogen und mit Wärmebildkameras abgesucht: negativ. Verwunderlich sei das leider nicht in einem so großen Gebiet, sagte der leitende Beamte am Telefon. Als einziger Anhaltspunkt war der Ort der Geiselnahme bekannt. Wenn sie davon ausgingen, dass die Geiselnehmer in Richtung Kongo unterwegs waren und dass man sich in dieser Gegend etwa acht bis zehn Kilometer am Tag fortbewegen konnte, dann kam ein Gebiet von nahezu 1.000 Quadratkilometern infrage. Die Suche über diesen Weg war langwierig.
Sven Wiese spielte nachdenklich mit einem Kugelschreiber. Selbstverständlich kannten sie die Handynummer Kayibandas und selbstverständlich hatten sie längst seine Verbindungen zu dem Satellitentelefon der Geiselnehmer identifiziert. Jetzt warteten sie auf die Rückmeldung des Netzbetreibers Thuraya, der die Gespräche vermittelte und mithilfe der Satellitendaten den Standort der Geiselnehmer angeben konnte. Doch die Firma mit Sitz in Abu Dhabi hatte offenbar Schwierigkeiten mit einem ihrer drei Satelliten. Ausgerechnet jetzt. Aber selbst mit einer Antwort aus den Vereinigten Arabischen Emiraten blieb es schwierig, denn die Entführer waren sicher so schlau und hatten ihr GPS längst abgeschaltet. Damit war eine Ortung nur ungenau, auf etwa zwei bis vier Kilometer möglich.
»Das wäre immerhin besser als nichts«, murmelte Wiese, ließ den Kugelschreiber fallen, schälte sich aus seinem Schreibtischstuhl und ging hinüber in den Konferenzsaal.
Die Stimmung beim Treffen des Krisenstabs an diesem Tag war angespannt. Wiese war überzeugt, dass Kiguli der Maulwurf in ihrem Team war, und er brannte darauf, ihm zu begegnen. Doch der ließ die Runde wieder warten. Also nahm Wiese erst einmal von Schellenburg ins Visier.
»Herr von Schellenburg, Sie sind bei Bernard Kayibanda gewesen«, sprach er den Generalbundesanwalt an, der sich mit der gewohnten Schwerfälligkeit auf seinen Platz im Krisenstab gesetzt hatte, dem er eigentlich gar nicht angehörte. »Worüber haben Sie mit ihm gesprochen?«
»Woher wissen Sie, dass ich ihn getroffen habe?«, konterte der genervt.
»Das tut hier nichts zur Sache. Relevant ist, dass Sie bei ihm waren und das Gespräch gesucht haben, ohne uns davon etwas mitzuteilen.«
»Ich glaube nicht, dass ich Ihnen eine Antwort schuldig bin.«
»Gut, dann werde ich jetzt einfach mal alles auf den Tisch packen, was ich weiß.«
Wiese zog sich einen Stapel Papiere heran, die er genüsslich eines nach dem anderen mit suchenden Augen überflog. Er wusste genau, welch brisante Informationen sich darin befanden, aber er wollte von Schellenburg ein wenig zappeln lassen.
»Sie sind in Uganda gewesen«, sagte er ohne den Blick von den Papieren zu lösen. Als er keine Antwort bekam, sah er den Mann auf der anderen Seite des Tisches mit kühlem Blick an. »Können Sie dem zustimmen?«
»Ja, ich war dort, aber das ist lange her.« Von Schellenburg verschränkte die Arme, für Wiese ein eindeutiges Zeichen, dass er ihn in die Defensive gedrängt hatte. »Welche Rolle spielt das?«
»Genauer gesagt waren Sie von Januar 1970 bis April 1971 in dem ostafrikanischen Staat. Richtig?«
Anja Paffrath verkniff sich ein Grinsen. Sie hatte ganze Arbeit geleistet, indem sie kurzerhand zum Haus der Familie von Schellenburg gefahren war und dort die völlig aufgelöste Frau des Generalbundesanwalts getroffen hatte, Julia von Schellenburg, geborene von Trutzheim. Es war ein Leichtes gewesen, der armen Frau unter dem Siegel der Verschwiegenheit ein paar relevante Informationen aus der Nase zu ziehen, denn offenbar befand sie sich in einem offenen Krieg mit ihrem Mann.
»Ich weiß wirklich nicht, was das nun mit diesem Krisenstab zu tun hat.«
»Was haben Sie in dieser Zeit in Uganda getan?«
»Was man eben als junger Mensch so tut, wenn man das Studium hinter sich hat und in die Welt hinausgeht.«
»Das müssen Sie mir erklären. Was tut man denn als junger Mensch so?«
»Mein Gott, lassen Sie mich doch mit diesen alten Geschichten in Ruhe. Anstatt in meiner Vergangenheit herumzuwühlen, sollten Sie lieber etwas dafür tun, meine Tochter
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