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Mondberge - Ein Afrika-Thriller

Mondberge - Ein Afrika-Thriller

Titel: Mondberge - Ein Afrika-Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Martin Meyer , Andreas Klotz
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verstanden.«
    »Mbusa hat mich gewarnt. Jemand ist hinter mir her – wie damals hinter Mbusas Bruder, als dieser das Tal verlassen wollte. Es ist Muthahwa. Der Schamane wartet offenbar nur auf eine Gelegenheit, mich zu töten.«
    »Und was willst du jetzt tun?«
    »Wir müssen so schnell wie möglich gehen.«
    Ein eigentümlicher Wind kam auf. Erst war er kaum spürbar, doch dann kroch er an Kamberes Beinen hoch, erreichte seine Hüfte, den Rumpf, die Arme und Schultern, zuletzt den Kopf. Kambere blickte an sich herab. Ein Schauer lief ihm eiskalt den Rücken hinunter. Gänsehaut bildete sich auf dem gesamten Körper. Über dem Gesang der Dorfbewohner lag ein leises Heulen, ganz schwach zu hören. Er wandte sich vorsichtig um. Nebel stieg vom See auf. Nebel, der ganz dicht am Boden blieb. Der Wind schien darüber hinwegzustreichen, denn der Nebel bewegte sich langsamer als der Luftzug. Die Instrumente spielten immer lauter, die einzelnen Stimmen des Gesanges wetteiferten mit ihnen um die schönere Melodie. Trommeln setzten ein. Sie schienen sich nach Kamberes Herzschlag zu richten.
    Dann sah er sie. Am gegenüberliegenden Ufer saßen die Balindi. Sie waren vollzählig erschienen. Wie ehrwürdige Skulpturen verharrten sie regungslos. Nur ihre Augen leuchteten zu ihm herüber. Kambere hatte den Eindruck, dass sie ihm etwas mitteilen wollten. Aber er verstand sie nicht.
    Aus dem Dorf erschollen Jubelschreie. Baluku hatte die Beschneidung hinter sich gebracht. Nun trat Mugiraneza, der Junge, der Kambere in der Dorfgemeinschaft ersetzen würde, in die Mitte der Menge. Er stand mit einem Holzstab quer über die Schultern gelegt auf dem Platz. Sein Gesicht war eigentümlich abwesend in den Himmel gerichtet, genau auf den Mond. Es war mit Kassava weiß eingestrichen, auch der freie Oberkörper hatte Spuren des weißen Breis abbekommen. Muthahwa stand vor ihm, hatte seine Hand, in der ein Messer lag, hoch in die Luft gereckt. Dann senkte er den Arm. Die Schreie wurden lauter. Mugiraneza verzog nicht einmal für einen Sekundenbruchteil die Miene. Das blutige Messer stach wieder in den Himmel. Kambere spürte die Klinge in seiner Haut, an jede Stelle seines Körpers strahlte der Schmerz aus. So wie Mugiraneza in diesem Moment in die Gemeinschaft der Abathatha aufgenommen wurde, so wurde Kambere von ihr getrennt. Plötzlich erschien es ihm, als sei die Entfernung zwischen ihm und den Feierlichkeiten mit einem Schlag zu einer unüberwindlichen Distanz angewachsen.
    Wie betäubt und als beträfe ihn das alles gar nicht mehr, nahm Kambere wahr, wie sich eine Gestalt aus der Menge der begeistert Feiernden entfernte. Sie eilte zum Seeufer und traf dort mit einer anderen Gestalt zusammen. Gemeinsam bestiegen sie eines der Boote und schwebten durch den dichten Nebel auf der Wasseroberfläche dem anderen Ufer zu.
    Dann bemerkte Kambere hinter sich eine kleine Gruppe Menschen, die sich vorsichtig näher an das Geschehen auf dem Dorfplatz heranwagte. Andrea, Georg und Peter. Mit fasziniertem Blick beobachteten sie, was auch für Kambere vollkommen neu war. Die Inselbewohner feierten, sie johlten und sangen. Die Musik und die Gesänge steigerten sich immer wieder, nur um im nächsten Moment leiser zu werden, beinahe zu verstummen. Doch gleich danach wurden sie wieder lauter. Die Stimmen nahmen Melodien auf, die Kambere noch nie zuvor gehört hatte.
    Er wollte die Fremden zurückhalten – sie sollten sich der Feier lieber nicht nähern, aber es war zu spät. Muthahwa hatte sie bereits entdeckt. In der rechten Hand hielt er nun einen langen Speer, den er zornig gegen die Weißen in der Luft schwenkte. Er rief etwas, was ein langes Johlen der Menge zur Folge hatte. Kambere konnte mehrere ihm gut bekannte Gesichter ausmachen. Einige waren vor Zorn verzerrt. Er verstand nicht, was Muthahwa sagte, aber er erkannte am Tonfall seiner Stimme, dass er die Leute aufhetzte. Kambere rannte los, auf die Fremden zu. Sie mussten fort, sofort. Das Heulen, das von weit her zu kommen schien, wurde lauter, wuchs zu einer bedrohlichen Geräuschkulisse an.
    In den nächsten Sekunden veränderte sich die Situation dramatisch. Muthahwa hielt inne, richtete die Augen zum Himmel. Und dann bemerkte Kambere es auch: Der Mond verschwand. Eine zweite kreisrunde dunkle Scheibe schob sich vor ihn. Fassungslos starrte Kambere nach oben. Der Gesang erstarb, alle Instrumente verstummten. Totenstille senkte sich über das Tal. Kambere hörte das Blut in seinen Ohren

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