Mondberge - Ein Afrika-Thriller
Martin, der immer wieder Steves Blick suchte, um zu verstehen, was geschah; Peter, etwas abseits, nervös mit seinem Trekkinghut spielend; Kai und Kathrin, die sich gegenseitig im Arm hielten; Manfred, der sich verzweifelt die Haare raufte. Und Soldaten. Fünfzehn oder zwanzig. Tom konnte sie nicht zählen, weil seine Gedanken durcheinander rasten. Er trat zu seiner Gruppe, sah einen nach dem anderen an, ging zu Andrea und griff nach Ihrer Hand. Nzanzu und Birgit tauchten noch nach ihm aus dem Nebel auf, stockten, als sie die anderen bemerkten, und traten dann ebenfalls auf das Plateau.
Peters Stimme klang entfernt: »Sie sagen, wir sind entführt.«
Stille.
23
Oberes Kitandara-Tal, am Nachmittag des 14. Juni
»Entführt?!« Tom erwachte vollends aus der Müdigkeit, die Nebel und Anstrengung in ihm ausgelöst hatten. »Wer sind diese Männer?« fragte er halblaut und blickte Steve an, der nur mit den Schultern zuckte. »Das kann doch nicht sein.« In Tom Stimme lag eine kindliche Ungläubigkeit. »Diese Seite des Gebirges ist sicher. Das haben alle gesagt. Was für einen Grund sollten die haben ...«
Wieder zuckte der Guide nur mit den Achseln.
Tom wandte sich an Peter. »Was wollen diese Männer von uns?«
Peter sah ihn leicht unterkühlt an und schwieg.
Irritiert zog Tom den Blick von ihm ab und betrachtete die Uniformierten genauer. Einige von ihnen waren jung, sehr jung. Im Grunde noch Kinder. Doch auch sie trugen wie selbstverständlich Gewehre über den Schultern. In den Händen dieser Kinder und Jugendlichen wirkten die Waffen noch grotesker als bei den älteren Soldaten. Tom wusste, dass es Kindersoldaten in Afrika gab, aber er hatte sie anderen Regionen zugeordnet. Solchen, in denen seit vielen Jahren Bürgerkrieg herrschte. Nicht hier. Nicht im Ruwenzori.
Ein Mann schälte sich aus der Gruppe der Soldaten und trat direkt auf ihn zu. Er salutierte ironisch, als er Tom ansprach.
»Herzlich willkommen in der Realität«, sagte er in perfektem Englisch. »Sie können mich Paul nennen. Ich denke, es ist das Beste, wenn wir erst einmal aus dieser beschissenen Kälte rauskommen. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, dann gehen wir jetzt den Hang hinunter bis zu den Kitandara-Seen. Die sind wunderschön, aber das wissen Sie vermutlich schon.«
Der Mann machte Anstalten, sich wieder umzudrehen, als Andrea ihn blitzschnell am Arm packte und festhielt. Er stockte in seiner Bewegung, blickte an seinem Arm herab und wandte sich dann ganz langsam zu ihr um.
»Was hat das zu bedeuten?«, schrie Andrea ihn, an und ihre Stimme überschlug sich dabei. »Wer sind Sie?«
Als Tom dem Blick des Rebellenführers begegnete, schrak er zusammen. Noch nie hatte er so kalte Augen gesehen. Er trat neben Andrea, fasste sie an der Schulter: »Andrea, bleib ruhig.« Sie zog ihre Hand zurück, schüttelte aber auch Tom energisch ab.
»Ich werde Ihnen alles genauestens darlegen, sobald wir in etwas angenehmeren Gefilden sind«, sagte Paul. Mit diesen Worten ging er zu seinen Soldaten zurück, ohne weiter auf Andrea zu achten.
Doch die ließ sich das nicht gefallen. Sie schulterte ihren Rucksack, betrachtete ihre Freunde und sagte: »Ich werde nicht mit diesen Leuten gehen.«
Sie schob Tom zur Seite und trat den Rückweg an, wieder den Berg hinauf. Mit eiligen Schritten ging sie an den anderen Wanderern vorbei, passierte die Reihe der Soldaten und begann mit dem rutschigen Aufstieg. Tom eilte ihr nach, doch dann ertönte ein Schuss hinter ihm. Er blieb erschrocken stehen. Paul hielt eine Pistole in den Himmel gerichtet. Eine kleine Rauchfahne stieg aus der Mündung. Panik wallte in Tom auf.
Andrea beschleunigte ihre Flucht. Tom hörte schnelle Schritte hinter sich. Zwei Soldaten überholten ihn und stürzten sich auf Andrea. Ein weiterer Schuss ertönte. Jemand schrie. Andrea wurde grob am Bein gepackt und zu Boden gerissen. Die Soldaten hielten sie eisern fest. Während sie sich zu befreien versuchte, brach auf dem Plateau Tumult aus. Die Träger sprangen auf, warfen das Gepäck von sich, eilten den Hang hinab. Weitere Schüsse fielen.
Tom versuchte, zu Andrea zu gelangen, wurde jedoch von einem Soldaten festgehalten. Wieder knallten Schüsse. Ein Träger stürzte auf den harten Schotter, rutschte langsam den steilen Hang herab. Ein weiterer wurde von einer Kugel in die Brust getroffen und brach zusammen. Die anderen Deutschen standen mit panischem Gesichtsausdruck noch immer an derselben Stelle auf dem Hochplateau.
Michael
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