Monde der Finsternis 03 - Mond der Ewigkeit
ertappte sich Aidan, wie ihn diese Gier auch am Tag befiel. Wenn er sich zur Askese zwang, steigerte sich sein Verlangen in der darauf folgenden Nacht umso mehr. Er verschwieg Amber seinen wachsenden Blutdurst genauso wie die Besuche in der Schattenwelt. Je länger er dort drüben weilte, desto mehr wurde er zu einem Teil von ihr. Nur Amber zuliebe kehrte er immer wieder zurück. Weil ihre Liebe die winzige Flamme der Hoffnung und Menschlichkeit nährte. Ohne sie würde ihn die Schattenwelt verschlingen.
Er kauerte sich in die Nische und zog den Vorhang zu. Seine Finger ließen sich durch die fortschreitende Steifheit kaum noch krümmen. Einen Atemzug später war sein Körper kalt und leblos wie eine marmorne Statue, während sein Geist die Reise in die Schattenwelt antrat.
Er spürte, wie er den Körper verließ und in die Anderswelt eintauchte. Obwohl sein Leib die milchige Transparenz eines Geistwesens besaß, spürte er jede Berührung, jeden Luftzug. Er konnte es nicht erklären, aber er sah, hörte und fühlte, als bewegte er sich in seinem Körper auf der Erde. Er zählte zu den wenigen Geistwesen unter den Schattenweltlern. Wenn er sich ihnen näherte, beäugten sie ihn geringschätzig, weil er nicht wirklich zu ihnen gehörte. Ging es um Beute, wurde ihm nur eine Rolle als Beobachter zuteil. Dabei sehnte er sich danach, wirklich zwischen ihnen zu stehen.
Auch heute stieg ihm köstlicher Blutduft in die Nase. Es war so verlockend, dass er tiefer in die Schattenwelt vordrang als jemals zuvor. Über ihm wölbte sich der scharlachrote Himmel, der am Horizont mit den schwarzen Berggipfeln verschmolz. Aidan war erst einmal bis an den Rand des Gebirges gegangen, weil es seinem menschlichen Ich widerstrebte, die Schattenwelt zu erkunden. Er gehörte nicht hierher, nein, er wollte nicht hierhergehören.
Du machst dir etwas vor, Warrior. Dein Platz ist hier!
Revenants Stimme ließ sich nicht aus seinem Hirn verbannen. Verdammt!
Hinter der Bergkette befand sich der Baum der Finsternis, aus dessen Wurzeln die Bewohner der Schattenwelt ihre Energie bezogen. Blut und Fleisch waren rar, um sich allein davon zu ernähren. Dahinter lag das Labyrinth der Verzweiflung, der Ort der verirrten Seelen, die verdammt waren und auf Erlösung hofften. Selbst die Geschöpfe der Schattenwelt mieden diesen Ort, weil jeder um seine Seele fürchtete. Aidan hatte sich nie weiter als bis zum Meer der verlorenen Seelen gewagt. Er spürte, dass die Finsternis ihn danach noch fester umklammern würde und die Kluft zwischen ihm und Amber sich vergrößerte. Doch seine dunkle Seite erlag immer mehr dem Reiz, jeden Winkel der Schattenwelt zu erkunden. Es war nur eine Frage der Zeit.
Weil du zu ihr gehören willst, ein Teil von ihr bist, ob du es willst oder nicht. Akzeptiere das!
Immer wieder klinkte sich der Vampirlord in seinen Geist. Das zermürbte ihn, zehrte an seinen Nerven. Ein Teil von ihm war bereit, dem Ruf zu folgen. Doch gab er dem nach, bedeutete es das Aus für seine Liebe zu Amber. Alle Kreaturen der Schattenwelt entledigten sich ihrer Gefühle, wenn sie das Gebirge überschritten, als streiften sie ein Kleidungsstück ab. Kämpfe gegen die Stimme der Versuchung. Seine menschliche Seele begehrte noch immer gegen das Schicksal auf, obwohl er spürte, dass sie nie gewinnen konnte.
Der Duft des Blutes wurde intensiver, sodass sein Magen rebellierte. Die warnende Stimme in seinem Inneren ignorierend nahm er voller Gier die Spur auf und folgte einem ausgetretenen Pfad, der sich durch ein felsiges Tal schlängelte. Rote Augen folgten ihm durch die Dunkelheit. Vampire, Werwölfe und Dämonen, eine geballte Ladung Aggression und Gewalt schlug ihm von allen Seiten entgegen. Er war ein Eindringling, ein Rivale um die Gunst Revenants. Gleichzeitig war er als Warrior gefürchtet. Betrat er in seiner körperlichen Gestalt die Schattenwelt, gehörte es zu seiner Aufgabe, Abtrünnige Revenants zu vernichten. Aidan witterte den fauligen Geruch der Schattenweltler. Die scharrenden Geräusche auf dem sandigen Untergrund und das leise Knurren verrieten, dass sie ihm folgten. Vor ihm, nicht weit entfernt, brannte ein Feuer, um das sich eine Schar dieser Kreaturen versammelt hatte. In der ersten Reihe standen Vampire, lauernd, den ersten Schluck zu nehmen. Der Geruch des frischen Blutes ließ auch Aidans Sinne schwinden, er konnte nur noch an eines denken. Er spurtete zum Feuer.
Als er die Gruppe erreichte, glitt sein Geistkörper über sie
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