Monde der Finsternis 03 - Mond der Ewigkeit
Ihm war, als hätte ein anderer seine Lippen bewegt und gesprochen. Konnte Revenant ihn manipulieren? Aidan erschauerte bei dem Gedanken. Doch er musste gestehen, dass da noch etwas anderes in ihm war, als lebten zwei Seelen in seiner Brust, seine und die der Finsternis. Er sah an sich hinunter. Sein totes Herz hing wie ein weißer Kloß in seinem milchigen Körper. Revenants Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln, das Aidan wie ein Dolch durchbohrte.
„Es wäre so viel leichter für dich, wenn du dich endlich entschließen könntest, dich zu deiner Natur zu bekennen. Dein Platz ist hier, begreifst du das nicht? Du bist der Warrior, von meinem Stamm, von meinem Blut. Gemeinsam können wir über diese Welt und die der Sterblichen herrschen. Wir sind Jäger. Ich lege dir Macht zu Füßen, Unsterblichkeit, ewige Jugend und eine körperliche Stärke, die alles Irdische in den Schatten stellt. Vergiss die nutzlosen menschlichen Gefühle.“
Aidan blickte auf den Kadaver, der sich vor seinen Augen zu einem Reh verformte, das Ambers Augen besaß. Das brachte ihn zur Besinnung. Wie konnte er sich derart von seinen Trieben leiten lassen? Er war nicht besser als jedes dieser dunklen Geschöpfe, die vor ihm standen. Er ekelte sich vor sich selbst.
„Aidan, befreie dich vom Ruf der Finsternis“, hörte er Ambers Stimme.
Er wollte Revenant entgegnen, dass er trotz aller Gier und Qual nicht bereit war, dem letzten Rest seiner Menschlichkeit zu entsagen. Aber seine Zunge hing schlaff im Mund und ließ sich nicht regieren. Amber! Die ganze Zeit hatte er sie angelogen, sie im Glauben gelassen, er würde in der Starre nicht in die Schattenwelt reisen. Was war er für ein Mistkerl! Nein schlimmer, eine Bestie. Je länger er ein Vampir war, desto mehr entfremdete er sich von der Welt, die bisher sein Dasein bestimmt hatte, und auch von Amber. Nur im hintersten Winkel seines Herzens brannte die Flamme der Liebe.
„Ich gehöre nic ht hierher!“, riet Aidan, während sein Geistkörper emporstieg, bis er über den Kopien der finsteren Gesellschaft schwebte. „Nein!“
Revenant sah mit verzerrter Miene zu ihm auf. Zorn sprühte aus seinen pechschwarzen Augen. „Es ist dein Schicksal, deine Bestimmung, an meiner Seite die Welt der Sterblichen zu erobern!“ Er breitete die Arme aus und warf den Kopf in den Nacken, unter seinen Lippen lugten die Fangzähne hervor. „Sie wird nicht mehr lange zwischen uns stehen!“
Sofort wusste Aidan, wen der Vampirlord meinte und Panik brandete durch seine Adern wie Säure. Revenant würde Amber vernichten.
Er blickte auf die Kreaturen hinab, die noch immer um den Kadaver versammelt waren. Er las Ehrfurcht in ihren Blicken, wenn sie Revenant betrachteten. Bald würde es ihm genauso ergehen. Wie sollte er dann Amber beschützen? Vor Revenant? Vor sich selbst?
Nie hatte er tiefere Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit gespürt wie in dem Moment, da er sich seiner Schwäche und Revenants Macht darüber bewusst geworden war. Das dünne Band zur Welt der Sterblichen würde er in dem Augenblick zerschneiden, in dem er seinen Fuß in die Schattenwelt setzte.
Revenants mentale Energie erfasste seinen Geistkörper, ließ ihn trudeln, machte ihn zum Spielball seiner Willkür. Genugtuung spiegelte sich in den Mienen der Vampire und die Werwölfe jaulten. Aidan taumelte hilflos wie ein Falter über den Köpfen der Bestien. Nichts würde mehr so sein wie vorher.
Wenn er doch seiner Existenz ein Ende setzen könnte. Die Kreise, die er in der Luft vollführte, machten ihn noch schwindeliger als es durch den Blutgeruch geschehen war. Wenn er doch nur aus der Starre erwachen würde. Die Bilder verschwammen vor seinen Augen, und das Gegröle und Jaulen der Gaffer unter ihm echote zigfach in seinen Ohren, schwoll an und trieb ihn fast in den Wahnsinn, bis er es nicht mehr aushalten konnte. Plötzlich erlosch alles schlagartig und Dunkelheit umfing ihn.
Nur mühsam öffnete Aidan die Augen. Die Lider fühlten sich geschwollen an und in seinem Kopf drehte sich alles. Es dauerte eine Weile, bis er die Benommenheit abgeschüttelt hatte und sich erinnerte. Deutlich sah er das Bild aus der Schattenwelt vor seinen Augen. Er befürchtete, Amber könnte den Kampf seiner Seele spüren und die Qual, die ihn zerriss. Ihre Kräfte waren gewachsen, sodass er nicht mehr viel vor ihr verbergen konnte.
Aidan streckte seine Beine und Arme aus, die sich noch immer steif anfühlten. Er konnte nicht leugnen, welch herrliches
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