Monde der Finsternis 03 - Mond der Ewigkeit
jedem Tanz lebte sie auf, drehte sich im Kreis, bis ihr schwindelig wurde. Sie genoss die wachsende Harmonie ihrer Körper. Charles wurde nicht müde, sie herumzuwirbeln. Seine Hände umspannten ihre Taille und hoben sie hoch. Amber stützte sich auf seinen Schultern ab und gab sich der Bewegung hin. Sie fühlte sich wie befreit, alle Sorgen schienen nicht mehr zu existieren. Einmal glücklich zu sein, das Leben genießen, ohne an die finstere Seite zu denken, die sie in Gealach empfangen würde, wenn sie zurückkehrte. Amber legte den Kopf in den Nacken und lachte. Ihre Bluse klebte am feuchten Rücken, aber sie konnte und wollte nicht aufhören zu tanzen. Als sie außer Atem waren und die Zunge am Gaumen klebte, legte auch der DJ eine Pause ein. Sie gingen zur Bar.
„Was willst du trinken?“, fragte Charles. „Champagner?“
„Nein, ein großes Ale bitte. Ich habe einen Riesendurst.“ Normalerweise trank sie keinen Alkohol, aber heute war alles anders, das Tanzen und die Stimmung hatten sie aufgekratzt. Es schien wirklich wie in alten Zeiten, als läge Gealach nicht dazwischen.
Kaum hielt Amber das Glas in den Händen, stürzte sie den Inhalt hinunter. Sie hatte noch nie köstlicheres Bier getrunken als dieses. Charles beobachtete sie lächelnd. Ein junger Mann balancierte ein Tablett mit gefüllten Gläsern über den Köpfen der Gäste hinweg. Als er sah, dass Amber ausgetrunken hatte, nahm er ihr das leere Glas ab und reichte ihr ein neues. Weil sie immer noch durstig war, setzte sie sofort das zweite Glas an.
„Mann, ist das lecker.“ Amber leckte sich über die Lippen und begegnete Charles’ begehrlichem Blick. Genauso hatte er sie früher angesehen. Mit dem Alkohol hatte sie einen Teil ihrer Hemmungen hinuntergespült. Sie lachte über Charles’ Witze und fühlte sich nach langer Zeit wieder lebendig.
„Die brauen das Ale hier auf dem Hof. Es steigt einem rasch zu Kopf, wenn man nicht aufpasst.“ Er lachte leise und nahm sich selbst ein zweites Glas vom dargebotenen Tablett.
Eine Weile versuchten sie sich an einer Unterhaltung, aber bei dem Stimmengewirr war es fast unmöglich, sein eigenes Wort zu verstehen. Dennoch hatte sie sich schon lange nicht mehr so gut gefühlt.
„Wo ist Carole?“ Amber blickte sich um, konnte sie aber nicht mehr auf der Tanzfläche entdecken. Sie verspürte ein schlechtes Gewissen, Carole sträflich vernachlässigt zu haben. Charles zuckte mit den Achseln und ließ ebenfalls seinen Blick durch die Scheune gleiten.
„Ich glaube, ich gehe sie mal suchen“, schlug Amber vor. „Vielleicht ist sie auf der Toilette.“
„Da musst du aus der Scheune raus und schräg gegenüber. Neben dem Schafstall habe ich vorhin die Toiletten gesichtet. Soll ich dich begleiten?“
„Nein, nein, es geht schon.“ Aber als Amber sich von der Theke entfernte, drehte sich alles. Wie blöd konnte man sein, Alkohol trinken, wenn man den ganzen Tag kaum etwas gegessen hatte? Sie musste über ihre Unvernunft den Kopf schütteln. Es konnte doch nicht so schwer sein, sich zusammenzureißen. Schwankend schob sie sich durch die ausgelassenen Gäste zum Ausgang. Die Luft war zum Schneiden dick, und ihre Kleidung klebte unangenehm am Körper.
Endlich hatte sie es geschafft. Sie trat hinaus in die kühle Luft. Auf Zehenspitzen überquerte sie das feuchte Gras und rannte auf den Anbau des Schafstalls zu, über dessen Tür das WC-Zeichen hing. Eine Handvoll Frauen stand davor und schlug die Zeit mit Schwatzen tot. Amber drängelte sich mit einer Entschuldigung vorbei und klopfte an die Toilettentür.
„Carole, bist du da drin?“
„Nein, hier ist Alvin“, ertönte eine Männerstimme und die Frauen brachen in Gelächter aus.
Amber stimmte ein, entschuldigte sich und überlegte, ob sie in der Scheune weiter nach Carole suchen sollte. Aber die Luft war so angenehm, dass sie beschloss, noch eine Weile draußen auszuharren. Sie umrundete den Schafstall, auf dessen Rückseite sich unter dem vorgezogenen Dach eine Bank befand. Erschöpft ließ sie sich darauf nieder. Sie war das lange Tanzen und schon gar keinen Alkohol gewohnt. Sie kicherte. Sie war beschwipst. Wider Erwarten hatte das Fest sie für eine Weile von ihren Sorgen und trüben Gedanken befreit. Amber lehnte den Kopf an die Stallwand und schloss die Augen. Aus der Scheune erklang wieder Musik. Balladen, weil die meisten jetzt mit ihrem Partner auf Tuchfühlung gehen wollten. Sie lauschte der Musik und summte mit. Aidan! Amber
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