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Monde

Titel: Monde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Putt-Putt-Anlage von Cocoa Beach.«
    Maggie senkte den Kopf und schlug den Ball drei Meter über kiesigen Beton. Sie sah auf, als etwas den Mond verdeckte.
    »Oh!«, hauchte sie. Ein Flughund mit einer Spannweite von neunzig Zentimeter oder mehr schwebte von den Bäumen herab, eine schwarze Silhouette vor dem Himmel.
    Am vierzehnten Loch trieben die Moskitos sie wieder ins Hotel zurück.
    Woodland Heights. Mehrere Kilometer vom Johnson-Raumfahrtzentrum entfernt, flach wie die Salzwüste von Bonneville und bar jeglicher Bäume, abgesehen von sorgsam gehegten Schösslingen in jedem Garten – so lagen die Häuser von Woodland Heights in Kurven und Ringstraßen unter der unbarmherzigen Sonne von Texas. Einmal, als er nach einer Woche Aufenthalt am Cape zu Beginn des Trainings für einen Gemini-Flug, der nie stattfinden sollte, zurück nach Hause flog, kreiste Baedecker mit seiner T-38 über der endlosen Geometrie einförmiger Häuser und versuchte sein eigenes auszumachen. Er erkannte es schließlich am Grün von Joans frisch lackiertem alten Rambler. Er ging mit der kleinen Trainingsmaschine impulsiv in den Sturzflug und fing ihn auf zufriedenstellenden und illegalen sechzig Metern über den Dächern ab. Der Horizont neigte sich, Sonnenlicht spiegelte sich auf Plexiglas, und er schwenkte den Jet in eine zweite Runde. Beim Hochziehen schaltete er den Nachbrenner zu, jagte die T-38 steil nach oben und beschrieb einen engen Looping, der davon gekrönt wurde, dass wundersamerweise Baedeckers Frau und Kind aus dem weißen Ranchhaus gestürzt kamen.
    Das war einer der wenigen Augenblicke in Baedeckers Leben, von dem er behaupten konnte, dass er wahrhaft glücklich gewesen war.
    Er lag wach und beobachtete, wie der Streifen Mondlicht langsam an der Wand des Hotelzimmers in Khajuraho hinaufwanderte. Leichthin fragte er sich, ob Joan das Haus verkauft hatte oder noch besaß und vermietete.
    Nach einer Weile stand er vom Bett auf und schaute zum Fenster hinaus. Hinter ihm verschwand die dünne Linie des Mondlichts, und Dunkelheit wälzte sich herein.
    Basti oder Chawl – wie immer die Einwohner von Kalkutta auch dazu sagen mochten, es war das Elendsviertel schlechthin. Das Labyrinth der Wellblechhütten und Sackleinwandzelte erstreckte sich meilenweit an den Eisenbahnschienen entlang und wurde lediglich von einigen kurvigen Pfaden durchzogen, die als Straßen und Abwasserkanäle zugleich dienten. Das Gedränge der Menschenmassen war fast unvorstellbar. Überall liefen Kinder herum, verrichteten ihr Geschäft vor Türen, jagten einander zwischen den Hütten und folgten Baedecker mit dem behänden Hüpfen der Scheuen und Barfüßigen. Frauen wandten sich ab, wenn Baedecker vorüberging, oder zogen den Stoff ihrer Saris hoch und verhüllten die Gesichter. Männer starrten ihn mit unverhohlener Neugier an, die an Feindseligkeit grenzte. Andere schenkten ihm gar keine Beachtung. Mütter hockten hinter ihren Kindern und waren damit beschäftigt, Läuse aus verfilzten Haaren zu klauben. Kleine Mädchen knieten neben alten Frauen und kneteten Kuhdung mit den Händen, formten ihn zu handlichen Briketts. Ein alter Mann, der sich auf einem freien Platz zum Kacken hingehockt hatte, hustete Schleim in die hohle Hand.
    »Baba! Baba!« Kinder liefen neben Baedecker her. Handflächen reckten sich ihm entgegen, Hände zerrten an ihm. Er hatte schon längst keine Münzen mehr in den Taschen.
    »Baba! Baba!«
    Er hatte mit Maggie vereinbart, sich um zwei Uhr in der Universität von Kalkutta mit ihr zu treffen, war aber zu früh aus dem überfüllten Bus ausgestiegen und hatte sich hoffnungslos verirrt. Es musste schon auf fünf Uhr zugehen. Die Gassen und gestampften Straßen führten ihn immer wieder im Kreis zurück und hielten ihn zwischen den Schienen und dem Fluss Hooghly gefangen. Wiederholt hatte er die Howrah Bridge erspäht, schien aber nie in ihre Nähe zu gelangen. Der Gestank des Flusses wurde nur noch von dem der Elendsviertel und des Schlamms übertroffen, durch den er watete.
    »Baba!« Die Menge um ihn herum wurde immer größer, und nicht alle Bettler waren Kinder. Mehrere große Männer drängten sich dicht hinter ihn, redeten hastig auf ihn ein und stießen die Fäuste zu Schlägen vorwärts, die jedes Mal beinahe trafen.
    Meine eigene verdammte Schuld, dachte Baedecker. Der Hässliche Amerikaner unterwegs.
    Die Hütten hatten keine Türen. Hühner liefen in die engen, dunklen Unterkünfte hinein und tauchten wieder auf. In

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