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Monde

Titel: Monde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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katholisch?«
    Baedecker lachte. »Nein, er war reformiert – aber sein Großvater war katholisch. Dieses Ding hat schon viel erlebt.« Baedecker erzählte ihr von der Reise des Medaillons zum Mond.
    »Herrgott«, sagte Maggie. »Und Christophorus gilt nicht einmal mehr als Heiliger, oder?«
    »Nein.«
    »Das spielt aber keine Rolle, oder?«
    »Nein.«
    Maggie ließ den Blick über den Fluss schweifen. Das Licht erlosch allmählich. Laternen und offene Feuer leuchteten hinter einer Baumreihe. Süßlicher Rauch hing in der Luft.
    »Wissen Sie, was das traurigste Buch war, das ich je gelesen habe?«, fragte sie.
    »Nein. Was war denn das traurigste Buch, das Sie je gelesen haben?«
    » The Boys of Summer. Kennen Sie das?«
    »Nein. Aber der Titel sagt mir was. Ein Sportbuch, richtig?«
    »Ja. Der Verfasser – Roger Kahn – hat viele von den Jungs besucht, die 1952 und ‘ 53 für die Brooklyn Dodgers gespielt haben.«
    »An diese Spielzeiten kann ich mich noch gut erinnern«, sagte Baedecker. »Duke Snider, Campanella, Billy Cox. Was ist daran so traurig? Sie haben die Weltserie nicht gewonnen, aber sie hatten eine tolle Saison.«
    »Ja, und genau das ist es j a«, erwiderte Maggie, und Baede cker stellte erstaunt fest, wie ernst und gepresst ihre Stimme klang. »Viele Jahre später, als Kahn die Jungs aufsuchte, war das immer noch ihre beste Saison. Ich meine, es war die beste Zeit in ihrem ganzen beschissenen Leben, und die meisten von ihnen wollten das nicht glauben. Sie waren ein paar alte Fürze, die Autogramme verteilten und darauf warteten, dass sie starben, und trotzdem taten sie so, als läge das Beste noch vor ihnen.«
    Baedecker lachte nicht. Er nickte. Maggie blätterte verlegen in dem Reiseführer. Nach einem Augenblick des Schweigens sagte sie: »Hier steht was Interessantes.«
    »Was denn?«
    »Dass das Taj Mahal quasi nur eine Übung war. Der alte Shah Jahan hatte ein noch größeres Grabmal für sich geplant. Auf der anderen Seite des Flusses. Es sollte ganz schwarz und durch eine elegante Brücke mit dem Taj Mahal verbunden sein.«
    »Was ist passiert?«
    »Hmmm … als Shah Jahan starb, hat sein Sohn … Aurangzeb offenbar einfach den Sarg seines Vaters neben den von Mumtaz Mahal gestellt und das Geld für andere Dinge verwendet.«
    Sie nickten beide. Als sie gingen, konnten sie den eindringlichen Ruf des Imams zum Gebet hören. Baedecker drehte sich noch einmal um, bevor sie das Haupttor durchschritten, aber sein Blick galt nicht dem Taj oder dessen blassem Spiegelbild in dem dunklen Teich. Er sah über den Fluss hinweg zu einem gewaltigen ebenholzschwarzen Grabmal und einer schwindelerregenden Brücke, die es mit dem diesseitigen Ufer verband.  
    Der Mond hing am bl assen Morgenhimmel über den Ban yanbäumen. Baedecker stand mit den Händen in den Hosentaschen vor dem Hotel und beobachtete, wie allmählich Passanten und Fahrzeuge die Straße bevölkerten. Als Scott schließlich zwischen ihnen auftauchte, musste er noch einmal hinsehen, um sich zu vergewissern, dass das tatsächlich sein Sohn war. Das orangerote Gewand und die Sandalen schienen zwar irgendwie zu der langhaarigen, bärtigen Gestalt zu passen, aber Baedecker erkannte Scott kaum wieder. Er stellte fest, dass der Bart des Jungen, vor zwei Jahren noch ein kümmerlicher Flaum, jetzt dicht und mit roten Strähnen durchzogen war.
    Scott blieb einige Schritte entfernt stehen. Die beiden starrte einander so lange an, bis es fast peinlich wurde, dann streckte Scott, dessen Zähne sich weiß von dem Bart abhoben, die Hand aus.
    »Hi, Dad.«
    »Scott.« Der Händedruck seines Sohnes war fest, aber seltsam unbefriedigend. Ihm fiel plötzlich der siebenjährige Junge mit blauem T-Shirt und Bürstenschnitt ein, der mit Karacho aus dem Haus gerannt war und sich seinem Vater in die Arme geworfen hatte, und er empfand ein Gefühl des Verlusts.
    »Wie geht es dir, Dad?«
    »Gut. Sehr gut. Und dir? Sieht aus, als hättest du ziemlich abgenommen.«
    »Nur Fett. Ich habe mich nie besser gefühlt. Körperlich wie seelisch.«
    Baedecker wartete.
    »Wie geht es Mom?«, fragte Scott.
    »Ich habe sie einige Monate nicht getroffen, aber kurz vor meiner Abreise angerufen, und da war alles bestens. Sie hat mich gebeten, dich für sie in den Arm zu nehmen. Und dir die Finger zu brechen, wenn du nicht versprichst, dass du öfter schreibst.«
    Der junge Mann zuckte die Achseln und machte eine Geste mit der rechten Hand, an die sich Baedecker noch von den

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