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Monde

Titel: Monde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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aus, sichtlich interessiert an ihrem Wortwechsel. »Was weißt du denn schon davon? Du bist so in deine materialistische amerikanische Scheiße verwickelt, dass du die Wahrheit nicht erkennen würdest, wenn sie sich eines Tages auf deinen Schreibtisch hocken würde.«
    »Materialistische Scheiße«, wiederholte Baedecker. Sein Zorn war weitgehend wieder verraucht. »Und du glaubst, ein kleines bisschen Tantra-Yoga und ein paar Monate in diesem völlig abgedrehten Land werden dich zur Wahrheit füh ren?«
    »Sprich nicht von Dingen, von denen du nichts verstehst«, schnappte Scott.
    »Ich verstehe was vom Ingenieurswesen«, sagte Baedecker. »Deshalb beeindruckt mich ein Land nicht besonders, das nicht einmal ein einfaches Telefonnetz zustande bringt oder eine funktionierende Kanalisation legen kann. Und ich erkenne sinnlosen Hunger, wenn ich ihn sehe.«
    »Quatsch«, sagte Scott, möglicherweise höhnischer, als er beabsichtigt hatte. »Nur weil wir kein Rindfleisch aus Kansas essen, denkst du, wir hungern … «
    »Ich spreche nicht von dir. Oder Leuten wie dir hier, Ihr könnt jederzeit nach Hause fliegen. Das ist ein Spiel für reiche Kinder. Ich spreche von … «
    »Reiche Kinder!« Scotts schrilles Lachen klang aufrichtig. »Das ist das erste Mal, dass mich jemand ein reiches Kind nennt! Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass du mir nicht mal fünfzig Cent Taschengeld geben wolltest, weil du dachtest, das wäre schlecht für meine Selbstdisziplin.«
    »Jetzt komm schon, Scott.«
    »Warum fliegst du nicht einfach wieder nach Hause, Dad? Flieg nach Hause, sieh fern, racker dich auf dem Trainer im Keller ab, schau dir die Fotos an den Wänden an und lass mich hier mein … mein Spiel durchziehen.«
    Baedecker schloss für einen Moment die Augen. Er wünschte sich, der Tag würde neu beginnen, damit er noch einmal von vorn anfangen könnte. »Scott. Wir möchten, dass du nach Hause kommst.«
    »Nach Hause?« Sein Sohn zog die Brauen hoch. »Wo ist denn das, Pop? In Boston bei Mom und dem flotten Charlie? Oder in deine Junggesellenbude in St. Louis? Nein danke.«
    Baedecker griff noch einmal nach dem Oberarm seines Sohnes. Nur zu deutlich fühlte er den Widerstand darin. »Reden wir darüber, Scott. Hier ist doch nichts.«
    Die beiden Männer starrten einander an. Fremde bei einer zufälligen Begegnung.
    »Und dort ist auf jeden Fall auch nichts«, fuhr Scott dann auf. »Du warst dort, Dad. Du weißt es. Scheiße, du bist es.«
    Baedecker lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Ein Kellner drückte sich unauffällig in der Nähe herum und schob sinnlos Geschirr und Besteck hin und her. Spatzen hüpften über die angrenzenden Tische und pickten Krümel von den schmutzigen Tellern und Zuckerdosen. Der dicke Junge auf dem Sprungbrett schrie laut auf und landete mit einem ungelenken Bauchplatscher im Wasser. Sein Vater rief ihm ermutigende Worte zu, und die Frauen am Rand des Pools lachten.
    »Ich muss gehen«, sagte Scott.
    Baedecker nickte. »Ich bring dich hin.«
    Der Ashram lag nur zwei Blocks vom Hotel entfernt. Gläubige wanderten über die Rasenflächen und trafen in Zweier- und Dreiergruppen mit Autorikschas ein. Ein Holztor und hohe Zäune hielten die Neugierigen fern. Gleich hinter dem Tor gab es einen kleinen Souvenirladen, wo man Bücher, Fotografien und signierte T-Shirts des Gurus kaufen konnte.
    Die beiden Männer blieben eine Zeit lang vor dem Eingang stehen.
    »Kannst du heute lange genug für ein Abendessen weg?«, fragte Baedecker.
    »Ja. Ich denke schon. Prima.«
    »Im Hotel?«
    »Nein. Ich kenne ein Restaurant in der Stadt, wo sie gute vegetarische Küche haben. Billig.«
    »Einverstanden. Gut, dann … Komm im Hotel vorbei, wenn du früher Zeit hast.«
    »Ja. Ich gehe am Montag wieder zur Farm des Meisters, aber vielleicht kann Maggie dir Poona zeigen, bevor du zurückfliegst. Kasturba Samadhi, den Tempel der Parvati, die ganze Touristenscheiße.« Wieder die Bewegung mit der rechten Hand. »Du weißt schon.«
    Fast hätte Baedecker ihm noch einmal die Hand geschüttelt – wie einem Kunden –, beherrschte sich aber. Das diffuse Sonnenlicht war sehr heiß. Die Luftfeuchtigkeit sagte ihm, dass es vor dem Mittagessen den nächsten Platzregen geben würde. Er würde die Zeit nutzen und sich irgendwo einen Schirm kaufen.
    »Wir sehen uns später, Scott.«
    Sein Sohn nickte. Als er sich abwandte und sich zu den anderen Gläubigen in ihren orangefarbenen Gewändern gesellte, um den Ashram zu

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