Mondgeschöpfe (Phobos)
Plastikmaske bedeckt, die einen Filter enthielt. "Ich habe das Gas abgestellt und die Klimaanlage angeworfen", klang ihre Stimme dumpf unter der Maske hervor. "Wann kann ich das verdammte Ding hier abnehmen?"
"Spätestens in fünf Minuten", entgegnete Cassia. "Die Klimaanlage arbeitet sehr schnell.“
*****
Als Julian wieder zu sich kam, geschah das schlagartig. Ein schrecklicher Gestank von menschlichen Exkrementen hüllte ihn ein. Julian fühlte sich in einer modrigen Flüssigkeit liegend. Sein Kopf schien mehr zufällig am inneren Rand des riesigen Abwasserbehälters festzuhaken. Nur so hatte sein völliges Ertrinken verhindert werden können. Offenbar stammte dieses alte Haus noch aus einer Zeit, als es keine öffentliche Kanalisation gab.
Vorsichtig tastete Julian den Boden um sich herum ab. Sofort begannen käferähnliche Tiere seine Hände und Finger mit harten Fühlern zu betasten. Gleich darauf spürte Julian, wie spitze Fresswerkzeuge seine Haut durchdrangen. Panik sprang in ihm hoch. Er ging in die Hocke, schnellte in die Höhe und brach gleich wieder in die Knie, weil er mit dem Kopf ungebremst gegen die obere Decke des Güllebehälters geprallt war. Mit dröhnendem Gehirn richtete er sich wieder auf, dieses Mal langsamer. Erst jetzt merkte er, dass jene Insekten inzwischen in einer dicken Traube an seinem Rücken hingen und dort ihr gefräßiges Werk verrichteten. Julian presste seine Rückseite an die raue Wand des Behälters und schabte sich die Tiere von seiner Haut. Er drängte die Panik in den untersten Untergrund seines Herzens. Auch das hatte er trainiert: Der Samurai musste leben, um sein Werk zu vollenden. In gebeugter Haltung tastete sich Julian an den Wänden entlang, bis er an der Oberseite die Reparaturöffnung fand. Der alte Riegel war fest gerostet. Julian brauchte seine ganze Kraft, um ihn zu öffnen. Endlich sprang er auf und Julian konnte den Deckel aufstoßen. Er zog sich nach oben und schwang sich mühsam über den Rand. Ein unschuldiger Morgen im Garten des alten Hauses empfing ihn. Das Gebäude lag still und romantisch im verklärenden Licht der Morgensonne. Julian untersuchte seinen Körper und fand auf seinem Rücken eine lange, brennende Wunde, wo es jenen Käfern offenbar gelungen war, auf breiter Front seine Haut zu durchdringen. Julian war völlig nackt und über und über mit stinkendem Schlamm und Kot bedeckt. Er wälzte sich auf dem Rasen, um sich wenigstens grob zu reinigen. Schließlich erhob er sich wieder und schlich zum Zaun. Eine lange Reihe Autos parkte auf der stillen Straße. Julian atmete auf. Eines dieser Autos würde er sich wohl ausleihen können, um seine Wohnung zu erreichen.
Zwei Stunden später schritt Julian die Treppe zu seinem Dojo hinab. Er hatte sich intensiv gereinigt und seine Wunden versorgt. In der Mitte des Übungsraumes kniete er in der Meditationshaltung nieder.
Julian fühlte sich noch nicht einmal tief verletzt. Er war sich von vornherein klar darüber gewesen, dass Cassia eine schwere Gegnerin sein würde. Aber offenbar hatte er sie immer noch unterschätzt. Choki schien ihm jetzt nicht mehr der rechte Verbündete zu sein. War das vielleicht die Lehre, die Chokis Samuraigeist ihm über die Jahrhunderte vermittelte: Dass es diesmal mehr brauchte, als den Geist eines Choki? Denn trotz aller Härte und Brutalität im Kampfe blieb Choki ein Samurai, ein Kämpfer, der sich dem Bushido verpflichtet fühlte. Er stand für den offenen Kampf und nicht für den eiskalten, mit List und Tücke durchgeführten, dem Gegner keine Chance lassenden Mord. Choki schien Julian zuzulächeln und gleichzeitig seinen Kopf zu schütteln.
Julian schloss die Augen. Auf seiner inneren Bildebene erschien die riesige Katze. Sofort spürte Julian den Unterschied zu Choki. Sein Blick fiel noch einmal auf das große Bild: Der furiose Kämpfer schien trotz all seiner Stärke ein deutliches Gefühl von Ekel gegenüber dem Dämon zu empfinden. Ja, der Ekel schien Motiv seines Handelns. Möglicherweise empfand Choki sogar Ekel gegen sich selbst, weil er sich von dem Dämon zu jener haltlosen Raserei hinreißen ließ.
In der Katze dagegen war keine Spur von Ekel. Vielmehr schien sie vor Freude nur so zu strotzen, Freude über ihre Geschicklichkeit, ihre Kraft, mit der sie die Beute ansprang und vernichtete und vor dem Vernichten noch ein bisschen quälte.
In der Meditation wurden Julians Atemzüge immer langsamer. Seine Pulsfrequenz sank auf etwa 30 Schläge pro
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