Mondglanz
mit seinen hellen Augen kurz an, und ich zucke innerlich zusammen. Sie sind quecksilberfarben mit eisblauen Sprenkeln darin. Zusammen mit dem dichten schwarzen Haar macht ihn das zu einem S-Gen-Träger. Kein Wunder also, dass er das Schiff verlassen hat. Wir Springer halten uns nun mal nicht gern an die Regeln. Was auch der Grund ist, weshalb mir dieser Botschafterinnen-Job immer mehr zur Qual wird.
»Wollen Sie etwas zu trinken?«, frage ich, damit er sich ein wenig beruhigt. Ich glaube nicht, dass er unser Mann ist. Er ist nicht der Typ, der sich der Puristen-Bewegung anschließen würde, um die Menschheit »sauber zu halten« von jedem Einfluss durch andere Spezies. Vor mir sitzt ein halbwüchsiger Bursche, der sich danach sehnt, Dinge zu sehen, die er noch nicht einmal ansatzweise versteht.
Noch bevor Argus antworten kann, richtet sich Vel drohend auf und flüstert so laut, dass der arme Junge es garantiert mitbekommt: »Sparen Sie sich die Höflichkeiten für später auf, Botschafterin. Zuerst hat der Verdächtige ein paar Fragen zu beantworten.«
Schon verstanden. Die Rolle des Bösewichts passt hervorragend zu Vel. Argus hat jetzt schon Angst vor ihm, dabei hat Vel noch nicht mal losgelegt. Tja, willkommen in der großen, grausamen Welt, Jungchen. Wunder weit jenseits deiner Vorstellungskraft erwarten dich.
Ich beuge mich vertraulich nach vorn. »Wollen Sie mir freiwillig sagen, warum Sie das Schiff verlassen haben?«
Wenigstens redet er nicht lange um den heißen Brei herum. »Ich war neugierig«, sagt er mit einem Hauch von Trotz. »Und ich hatte es satt, ständig auf dem Schiff herumzuhängen.«
Ein Springer, dem langweilig ist, ist zu allem möglichen Unfug fähig. Er muss schleunigst ausgebildet werden, damit er seinen Forscherdrang ausleben kann. Nur wo? Im Moment ist alles im Umbruch, und das Konglomerat hat die Akademie auf Terra Nova geschlossen. Vielleicht werde ich eines Tages ja doch noch Grimspace-Trainerin … Aber eins nach dem anderen.
»Und was haben Sie dann getan?«
»Nichts«, murmelt er. »Ich hab’s nicht geschafft, aus dem Dockingbereich herauszukommen.«
Ich bin geneigt, Argus zu glauben, werfe Vel aber zur Sicherheit einen fragenden Blick zu, und er neigt den Kopf um etwa einen Millimeter. Also ist er derselben Meinung. Bevor ich Argus entlasse, möchte ich jedoch noch eine andere Taktik versuchen.
»Könntest du dir irgendjemand vorstellen, der etwas dagegen hat, dass wir hier sind?«, frage ich ganz vertraulich. »Gibt es irgendwelche Nörgler auf dem Schiff oder so?«
Argus schüttelt den Kopf. »Nein, Botschafterin. Saul hat nur Leute rekrutiert, die schon öfter davon geredet haben, wie gern sie die Sterne sehen möchten. Wir bekommen nicht oft die Gelegenheit dazu. Marsch leitet die meisten Flüge, und er hat eine kleine, eingeschworene Mannschaft.«
»Und du kennst niemanden, der einer dissidenten Gruppe angehören könnte?«
»Einer was ?«, fragt er aufrichtig verwirrt.
Ich verkneife mir ein Lachen. »Egal.« Ich schaue wieder Vel an. »Noch weitere Fragen?«
»Für den Moment nicht, aber … Wir wissen, wo wir Sie finden, falls nötig.«
Das klingt einigermaßen unheilvoll, und der Junge tut mir beinahe leid. Doch wahrscheinlich kann er eine kleine Lektion ganz gut vertragen. Wenn ihn die Ithorianer auf seinem Ausflug erwischt hätten, hätte alles Mögliche passieren können.
»Kann ich jetzt gehen?« Argus scheint es kaum erwarten zu können.
»Fast. Eine letzte Frage noch: Würdest du gern Navigator werden?« Ich gehe mal davon aus, er weiß, dass er das S-Gen hat.
»Mehr als alles andere auf der Welt«, antwortet er wie aus der Pistole geschossen.
Ich versuche, mir den Stich, den ich verspüre, nicht anmerken zu lassen. Mutter Maria, war ich auch einmal so neugierig und sprudelnd vor Energie? Muss ich wohl gewesen sein. Sonst wäre ich nicht von zuhause abgehauen, um die Akademie zu besuchen.
»Ich werde sehen, was ich für dich tun kann.«
Sein Gesicht erstrahlt wie eine Supernova, deshalb füge ich hinzu: »Ich kann dir nichts versprechen, so wie die Dinge im Moment stehen. Aber es wäre nicht schlecht, wenn du eine Aufgabe bekommst, die dir auch liegt. Im Moment ist noch vieles im Umbruch, wie du weißt.«
Ich sehe keinen Grund, ihm von der finsteren Seite des Ganzen zu erzählen. Von der Sucht, sobald man den Grimspace einmal geschmeckt hat, von diesem Verlangen, das einen langsam umbringt, und man merkt es erst, wenn es zu spät ist. Soll er
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