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Mondglanz

Mondglanz

Titel: Mondglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
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erweisen uns unermessliche Ehre, indem Sie uns in Ihrem momentanen Zustand der Schwäche empfangen.«
    Vel wiederholt Wort für Wort, was ich gesagt habe.
    Scharis hört auf, während er ruhelos mit den Klauen auf seinem Chitinpanzer herumtrommelt. »Ich tue es auch eher, weil ich die Befürchtung habe, es könnte die letzte Gelegenheit sein, mit Ihnen zu sprechen.«
    Ich bin geschockt. »Was ist passiert?«
    »Karom hat vor dem Rat beantragt, mich offiziell von meinem Amt zu entbinden und mich zur Rekonvaleszenz aufs Land zu schicken. Mein Sitz wird dann unverzüglich von einem Nachfolger eingenommen.«
    Ich blicke Vel an. »Ist das legal?«
    In einem Anzeichen von größtem Bedauern neigt er den Kopf. »Wird ein Ratsmitglied für nicht in der Lage befunden, sein Amt zu erfüllen, kann es ersetzt werden.«
    »Indem die anderen Ratsmitglieder das so bestimmen?« Das scheint mir ein bisschen zu viel Macht.
    »Ja«, antwortet Vel.
    »Dank der exzellenten Behandlungsmethode, die Ihr Schiffsarzt ersonnen hat, werde ich mich zwar erholen – und andere Ratsmitglieder wurden schon nach längeren und schwereren Erkrankungen zurück ins Amt geholt –, aber sie wollen mich loswerden, weil ich die Stimme der Veränderung bin«, fährt Scharis verbittert fort. »Sobald ich weg bin, werden sie Devri einfach überstimmen, und das Bündnis wird zu den Akten gelegt, für immer.«
    »Das wäre … verheerend«, stammle ich. Die Diplomatie ist hiermit offiziell gescheitert, und es wird Zeit für ein paar offene Worte. »Wir brauchen in dem kommenden Krieg gegen die Morguts die Unterstützung Ihres Volkes. Nicht als Kanonenfutter, sondern weil die Morguts Ihre Spezies fürchten. Wenn sie sehen, dass sich die Ithorianer auf unsere Seite stellen, werden sie es sich zweimal überlegen, ob sie uns angreifen wollen.«
    Als Vel dolmetscht, benutzt er ein Wort, das ich noch nie zuvor gehört habe. Dem Chip zufolge bezeichnet er die Morguts als »Totenfresser«. Ein eiskalter Schauer rieselt mir über den Rücken, und ich versuche, nicht an all das Blut auf Emry zu denken, nicht an die Netze und die Kokons mit den Leichen darin, die als Futter für ihre Jungen dienen.
    »Wir haben sie vor langer Zeit gelehrt, uns zu fürchten«, bestätigt Scharis. »Aber wir haben die Sterne seit Hunderten von Umläufen nicht mehr berührt. Unsere Vorfahren waren Forscher, Kämpfer und Eroberer, doch von ihren Streifzügen brachten sie eine heimtückische Krankheit mit nach Ithiss-Tor, die uns beinahe ausgelöscht hätte. Danach kapselten wir uns vollständig vom Rest des Universums ab und haben nur zweimal zugelassen, dass man unseren Planeten besuchte.«
    Das erste Mal war, als Trapper Farley hier landete. Er und seine Crew waren zu ignorant, um zu merken, dass sie eine Zivilisation »entdeckt« hatten, die für sich bleiben wollte. Jetzt, da ich mehr über den geschichtlichen Hintergrund weiß, denke ich, sie konnten von Glück reden, dass man sie nicht alle standrechtlich exekutiert hat.
    Und jetzt sind wir hier.
    »Es tut mir leid.« Scharis spreizt die Klauen und lässt sie dann schlaff hängen als Zeichen seiner Hilflosigkeit. »Ich kann den Rat nicht dazu bringen, seine Meinung zu ändern oder sich von alten Denkmustern zu lösen. Die Wahrheit ist: Wir stagnieren. Seit mehr Umläufen, als ich zurückdenken kann, haben wir keine neuen Technologien entwickelt. Unsere Schiffe sind hoffnungslos veraltet. Ihr Menschen habt einen schnellen, flexiblen Geist – zweifellos ein Nebeneffekt Ihrer kurzen Lebensspanne. Wir müssen diesen Funken der Erneuerung wieder zum Leuchten bringen, sonst werden wir verlöschen. Nicht sofort, aber bald.«
    »Es gibt eine Möglichkeit«, verkündet Vel, als hätte er fieberhaft nachgedacht. »Wann soll die Abstimmung über Ihre Amtsenthebung stattfinden?«
    »In einer Stunde.«
    »Können Sie gehen?«
    Scharis scheint ein wenig verwirrt, aber er schafft es, von seinem Diwan aufzustehen. Er schwankt kurz, dann sagt er: »Ich denke … ja.«
    »Wenn Sie es bis zu den Ratshallen schaffen, ist das ein Beweis Ihrer Tatkraft. Lassen Sie sich von niemandem helfen, und bleiben Sie unterwegs nicht stehen. Wenn Sie den Weg aus eigener Kraft zurücklegen und dem Rat gegenübertreten, wird man Ihnen kaum Gebrechlichkeit vorhalten können. Wenn wir dort sind, könnten Sie eine sofortige Abstimmung über das Bündnis beantragen und Ihren Gegnern so zuvorkommen. Selbst wenn Sie die verlieren sollten, haben Sie zumindest alles

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