Mondglanz
sind oder … nicht mehr hier.«
»Ich dachte, das wäre ein und dasselbe«, witzele ich, aber keiner scheint meinen Kommentar lustig zu finden. Für die späte Stunde fand ich den Spruch gar nicht so schlecht. Seufzend fahre ich mir durchs Haar. »Ich werde vorsichtig sein, okay?«
»Das müssen Sie auch«, ermahnt mich Saul. »Ich gehe dann mal wieder aufs Schiff.«
»Danke, dass Sie gekommen sind.«
Jael bedankt sich ebenfalls.
Saul muss wirklich schwer beschäftigt sein, sonst würde er spätestens jetzt nach Marsch fragen. Ich hoffe, das bleibt auch so, aber was ich mir wünsche, scheint das Universum herzlich wenig zu interessieren, denn kurz vor der Tür macht er doch noch einmal kehrt.
»Warum ist Marsch nicht bei Ihnen? Und wo ist Constance?«
Die zweite Frage stelle ich mir selbst die ganze Zeit, und bei der ersten wäre es mir lieber, ich wüsste die Antwort nicht. Bevor ich etwas erwidere, setze ich mich erst einmal und bedeute Saul, das ebenfalls zu tun. Es könnte ein längeres Gespräch werden. Vel und Jael nehmen ebenfalls Platz – eher aus Bequemlichkeit, wie ich annehme, denn die schlechte Nachricht zu überbringen, ist definitiv mein Job.
»Er wurde verhaftet«, erkläre ich knapp. »Morgen wird das Urteil über ihn gesprochen. Heute, besser gesagt. Und in ein paar Tagen werden sie ihn in die Minen schicken. Er ist nur noch nicht dort, weil die Justiz hier so langsam arbeitet.«
Das Gute an der Situation? Docs Wesen. Sein Blick verfinstert sich zwar, aber er bewahrt die Ruhe und fragt erst einmal, was genau passiert ist. Eine gute Stunde lang verbringen wir damit, ihn über alles aufzuklären, was er versäumt hat, während er auf dem Schiff war. Er steckt mitten in einem wichtigen Forschungsprojekt, und auch Rose erfreut sich seiner Aufmerksamkeit. Ich mache ihm keinen Vorwurf daraus, dass er so viel Zeit dort verbringt. Wenn ich nicht dauernd hier sein müsste, würde ich es genauso machen.
»Betrachten wir die Fakten einmal ganz nüchtern«, sagt er schließlich, und ich muss ein Lächeln unterdrücken. Wir hätten ihn schon längst einweihen sollen. Neben Vel und Constance hat er den schärfsten Verstand von uns allen. Ich denke noch einmal nach, ob wir nichts vergessen haben. Da fällt mir tatsächlich etwas ein.
»Ich glaube, Constance hat herausgefunden, wer für den Anschlag auf Scharis verantwortlich ist. Das ist die einzig logische Erklärung für ihr Verschwinden.«
»Solange sie noch funktionsfähig ist, könnte sie es uns sagen«, überlegt Doc.
»An der Funktionsfähigkeit würde es nicht scheitern«, wirft Velith ein. »Wenn sie nicht vollständig zerstört ist, kann ich die Daten immer noch herunterladen.«
Zum ersten Mal seit viel zu langer Zeit sehe ich einen Hoffnungsschimmer. Allein kann ich die beiden nicht retten. Ich hätte schon vor zwei Tagen alle zu einer Krisensitzung zusammenrufen sollen, statt im Verborgenen mit Vel nach einer Lösung zu suchen. Ich hab’s im Alleingang versucht und damit nur noch mehr Schaden angerichtet, das weiß ich jetzt. Meine Crew braucht mich nicht, damit ich sie vor der Realität beschütze. Selbst die besten Absichten bewahren einen nicht davor, Fehler zu begehen.
»Heißt das, statt nach dem Kerl in dem Kapuzenumhang zu suchen, sollten wir besser versuchen, Constance zu finden?« Ich blicke in die Runde, um mich zu vergewissern, dass alle wissen, was ich meine.
»Welcher Kerl in einem Umhang?«, fragt Jael.
»Wir haben Bilder von einer Überwachungskamera, die zeigen, wie jemand sich heimlich in Scharis’ Wohnung schleicht. Er ist ungefähr so groß wie du. Aber du hast ja mit Dina und Hammer Charm gespielt, nachdem du die Party verlassen hast.«
»Und dabei ein bisschen mehr verloren als nur mein letztes Hemd«, brummt er.
»Velith und ich glauben, es war ein Ithorianer, der sich als Mensch verkleidet hat«, führe ich weiter aus. »Die Wenigsten können sich so täuschend in einen Menschen verwandeln wie Vel. Dazu braucht man viel Zeit und eine Menge Übung.«
»Und es würde als Schande gelten, diese Fähigkeit für etwas anderes zu benutzen als für die Jagd«, fügt Velith hinzu.
»Exakt, sie darf nur zur Wärmeisolierung eingesetzt werden oder um in der großen Tundra einer schmackhaften Beute nachzustellen.« Ich lächle Vel an, um ihm zu zeigen, dass ich mit dieser flapsigen Schlussbemerkung keinen Scherz auf seine Kosten machen wollte.
Saul rutscht unruhig hin und her. Wenn er schon mitten in der Nacht
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