Mondglanz
endlich: Jael hat mir das Leben gerettet. »Kann ich irgendwas tun?«, frage ich ihn.
»Sprich mit mir«, entgegnet er durch zusammengebissene Zähne.
Ich tue, worum er mich gebeten hat, und fasse laut zusammen, was ich über den Anschlag weiß. »Scharis und Devri haben mich gewarnt, und die Große Verwalterin ebenfalls. Ich kann also nicht behaupten, dass ich überrascht wäre. Falls ich hier auf Ithiss-Tor sterbe, werden sie dem Konglomerat ihr Beileid übermitteln und sagen, es handele sich um einen bedauernswerten Kollateralschaden in Zeiten des Umbruchs. Und dass sie nicht verantwortlich sind für die Umtriebe irgendwelcher Oppositionellen. Sie können sogar wahrheitsgemäß behaupten, sie hätten mir geraten abzureisen. Jetzt, da das Bündnis beschlossene Sache ist, bin ich nicht mehr unersetzlich. Ich bin sogar vollkommen unwichtig.«
»Mir nicht«, flüstert Jael sanft. »Glaubst du, jeder dürfte mich so sehen? Ich bin so schwach, du könntest mich mit links töten, wenn du wolltest. Ich hätte nie geglaubt, dass ich das jemals sagen würde, aber … Ich vertraue dir, Jax.«
»Danke. Das bedeutet mir sehr viel.«
Ich würde ihm gern über die Wange streichen, ihm zeigen, wie sehr mich sein Vertrauen ehrt, aber damit würde ich das ganze Blut in seinem Gesicht verschmieren. Außerdem ändern seine Gefühle nichts an der Realität: Jede Sekunde, die ich noch länger bleibe, bedeutet Gefahr für meine Crew und mich. Wann bin ich endlich so weit, die Verluste zu minimieren, indem ich mich aus dem Staub mache?
Mein Herz sagt, nie. Auch wenn ich von Marsch genug darüber gelernt habe, was es bedeutet, Soldat zu sein. Er würde nicht wollen, dass ich um seinetwillen mein Leben riskiere. Aber ich will nicht ohne ihn leben.
»Wir sind in einer schlimmen Lage«, keucht Jael. »Ich bin dein einziger Leibwächter, und unter diesen Umständen kann ich nicht länger für deine Sicherheit garantieren.«
»Tut mir leid, wenn es so schwierig ist, auf mich aufzupassen«, gebe ich müde und etwas schnippisch zurück, »aber wenn du dein Geld sehen willst, wirst du schon bleiben müssen, denn wir sind hier noch nicht fertig. Ich lasse niemanden zurück.«
»O Jax«, sagt er mit einem Ausdruck von Mitleid auf dem Gesicht, der mich auf die Palme bringt.
»Halt die Klappe.«
»Sieh mal, niemand gibt dir die Schuld …«
» Ich gebe mir die Schuld«, unterbreche ich ihn, noch bevor ich weiß, was ich sage. »Und Dina.«
»Sie tut dir unrecht«, sagt Jael leise. »Du hast ihm nicht gesagt, dass er es tun soll, und selbst wenn – jeder, der Befehle geben muss, weiß, dass Auseinandersetzungen auch immer Verluste bedeuten. Du hast es selbst gesagt.«
Ja, habe ich, aber ich habe es nicht so gemeint. Ich habe es nur gesagt, damit die anderen nicht in Panik ausbrechen. Maria, ich hasse es, wenn meine eigenen Worte auf mich zurückfallen.
»Du hast in dieser Sache dein Bestes getan«, spricht Jael weiter. »Niemand erwartet von dir, dass du auch noch das Unmögliche möglich machst … Du hast auch so schon erreicht, was niemand vor dir geschafft hat, und so viele Opfer gebracht … Wann ist es genug, Jax? Willst du auch noch dein Leben opfern?«
Mutter Maria, er hat ja so recht. Es ist beinahe, als würde mein Unterbewusstsein zu mir sprechen. Der weggesperrte, selbstsüchtige Teil von mir nickt begeistert zu jedem seiner Worte. Wann kann ich mich mal ausruhen und erholen?
»Bitte, sei still«, flüstere ich. Ich hasse Jael, weil er ausspricht, was ich seit Tagen denke. Ich fühle mich, als würde ich mit dem Kopf ständig gegen eine Mauer rennen, und ich weiß nicht, ob ich stark genug bin, der Versuchung noch lange zu widerstehen, zurück in meine alte Haut zu schlüpfen. Die alte Jax würde keine Sekunde zögern und sich ab sofort nur noch um ihren eigenen Kram kümmern. Sie hat es gründlich satt, all den Kummer und das Leid. Ihrer Meinung nach ist es schon viel zu lange her, dass die beiden Siranthas ihr Leben unbeschwert genießen konnten.
Jael umfasst meine Hände. »Nein, Jax. Ich muss es dir sagen. Selbst in der kurzen Zeit, in der ich dich kenne, ist mir aufgefallen, wie die Leute dich immer wieder zwingen, genau das zu tun, was du nicht willst. Ich habe es am eigenen Leib erlebt und weiß, wie es ist, wenn man benutzt wird. Es ist Zeit, damit Schluss zu machen. Zeit zu gehen, Jax.«
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Hat er recht? Vielleicht bin ich nur zu stolz, um zuzugeben, wenn ich verloren habe. Ich will nicht riskieren, aus rein
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