Mondglanz
«, erklärt er. »Wenn Sie so freundlich wären, ihn mitzunehmen? Ich spüre ständig seine wütenden Blicke im Rücken, und wenn etwas Vernünftiges bei der Simulation herauskommen soll, brauche ich absolute Konzentration.«
»Wird gemacht«, sage ich grinsend. »Komm schon, gehen wir.«
Ich wünschte, ich könnte ihn berühren, seine Hand nehmen. Stattdessen gehen wir getrennt hinaus. Hätte jemand mir prophezeit, dass irgendwann der Tag kommen würde, an dem ich Marsch in meinem Kopf vermisse, hätte ich ihn für verrückt erklärt. Aber noch mehr als seine Gegenwart in meinem Geist vermisse ich seine Wärme.
Vel macht Anstalten, uns zu folgen, als Doc sagt: »Velith, wenn Sie noch kurz bleiben könnten. Ich möchte Ihnen ein paar Fragen über die Atmosphäre von Ithiss-Tor stellen.«
»Selbstverständlich.«
Mit einem Zischen schließt sich die Tür hinter uns. Zögerlich blicke ich Marsch in die Augen. »In spätestens ein, zwei Stunden hat Doc etwas für dich synthetisiert. Wollen wir einfach so lange auf dem Schiff warten?«
Zu meiner Suite im Regierungsbezirk kann ich später immer noch zurückkehren. Zeit zum Schlafen vor dem Treffen morgen bleibt genug.
Marsch nickt stumm, und ich gehe voraus zu unserer Kabine, damit Doc und Vel ungestört reden können. Die unzähligen Bildschirme, auf denen sich Marsch nach meinem Unfall Videos von Sirantha Jax angesehen hat, sind wieder im Schrank verschwunden. Er wollte mir nicht in die Augen sehen, wollte nicht zugeben, dass ich recht gehabt habe, dass etwas in ihm kaputtgehen würde, wenn er auf Lachion bleibt. Also hat er sich lieber mit einem elektronischen Faksimile beschäftigt als mit mir.
Zwei Schlafkojen auf zwei verschiedenen Seiten der Kabine, und ich weiß nicht, wie ich diese Kluft überbrücken soll. In seinem momentanen Zustand ist es Marsch auch egal, ob ich es versuche oder nicht. Wahrscheinlich würde er am liebsten nach Nicuan zurückkehren und das Leben wieder aufnehmen, das ihn schon einmal beinahe umgebracht hat.
Die alte Jax hätte ihn wahrscheinlich einfach abgeschrieben. Zu viel Ärger, der Mühe nicht Wert. Aber so bin ich nicht mehr, und darüber bin ich froh. Marsch wieder hinzukriegen hat neben meinen diplomatischen Verpflichtungen oberste Priorität.
»Und jetzt?«, fragt er und lässt sich auf einen Stuhl fallen. »Wirst du mich jetzt unter Drogen setzen und in deiner Nähe behalten wie ein zahmes … Schoßhündchen?«
Ich muss lächeln. Marsch mag vieles sein, aber bestimmt kein Schoßhündchen. Zum einen ist er groß, kantig und muskulös. Das schwarze Haar hat er sich schon eine ganze Weile lang nicht mehr schneiden lassen, und es reicht fast bis zu den Schultern. Ich weiß, er hört es nicht gern, aber neben seinen Augen sind die Haare das Attraktivste an ihm – seidig schwarz, und wenn sie so lang sind, locken sie sich sogar ein wenig.
Seine Gesichtszüge sind, sagen wir, ausgeprägt. Eher interessant als schön. Der kantige Kiefer deutet auf eine gewisse aggressive Grundhaltung hin, die Nase auf den einen oder anderen verlorenen Kampf. Aber seine Augen sind absolut umwerfend: feinster Sherry mit Goldglitzer und Karamell darin, umrahmt von lächerlich langen Wimpern, deren Enden sich ein wenig aufrollen. In Wirklichkeit sind sie sogar noch länger, als sie aussehen, denn die Spitzen wurden von derselben Sonne gebleicht, die seiner Haut diesen bronzefarbenen Teint gibt.
Doch schließlich erstirbt mein Lächeln, denn Marsch meint es ernst. Sieht er das Ganze als Zwangsmaßnahme? Würde er lieber für immer verschwinden? Wenn er nur wegen seines Versprechens bleibt und nicht aus Hoffnung, wir könnten eines Tages wieder so zusammen sein, wie wir es einmal waren, will ich nicht diejenige sein, die ihn zurückhält unter dem Vorwand, es wäre nur zu seinem Besten.
»Nein.« Meine Stimme klingt dünn, unsicher, und ein paar Momente lang bringe ich kein weiteres Wort heraus. Ich bin nicht die Gedankenleserin von uns beiden. Ich kann nicht in seinen Kopf schauen und nachsehen, ob er mich nur loswerden will, um mich vor sich selbst zu beschützen, so wie ich es getan habe, als ich krank war. Welche Ironie des Schicksals.
Eins habe ich von Kai gelernt, eine unumstößliche Wahrheit: Menschen bleiben nur so lange zusammen, wie beide es wollen. Alle Versprechungen der Welt können daran nichts ändern. Für nichts im Leben gibt es eine Garantie. Vielleicht kann ich von Glück reden, dass ich wenigstens ein paar schöne Monate
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