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Mondglanz

Mondglanz

Titel: Mondglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
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eine andere Robe. Sie schillert genauso goldfarben, aber in den Stoff ist ein feines Blättermuster geprägt, das nur sichtbar wird, wenn das Licht in einem bestimmten Winkel auf die hauchfeine Seide fällt. Der Schnitt ist einfach und fließend und lässt meine Arme frei. Constance hat mir die Haare auf den Hinterkopf zu einem adretten Knoten geflochten.
    Ich lege letzte Hand an und umrahme meine Augen mit goldenem Kajal. Fehlt nur noch der kirschrote Lippenstift. Fertig. Gelb und Rot sind die Farben, die auf Ithiss-Tor den höchsten Rang bekunden. Steht mir gut, finde ich.
    Ich frage mich kurz, wie ich Devris Avancen höflich, aber unmissverständlich zurückweisen kann. Als ich sagte, er sei der Hübscheste von allen, war das eher im übertragenen Sinn gemeint.
    Constance blickt mich zweifelnd an. »Sind Sie sicher, dass Sie diesen Lippenstift tragen wollen, Sirantha Jax?«
    Ich runzle die Stirn. »Warum nicht?«
    »Ich habe herausgefunden, was die rote Farbe auf den Klauen der großen Verwalterin bedeutet«, erklärt sie. »Sie scheint zu symbolisieren, dass sie die Beschützerin ihres Volkes ist. Das Rot steht für das Blut potentieller Gegner.«
    Es ist offensichtlich, was Constance meint. »Und wenn ich mir den Mund rot anmale, heißt das, dass ich meine Gegner mit den Zähnen zerreiße?«
    »Ich glaube, ja. Doch weiß ich nicht, ob die Ithorianer ein solches Auftreten als mutig und bewundernswert erachten oder als barbarisch und unzivilisiert.«
    »Beides«, erklärt Vel, der unangekündigt in meine Suite gekommen ist. »Wischen Sie die Farbe nicht ab. Die einen werden beeindruckt sein, die anderen verblüfft, und da es im Großen und Ganzen nur ein Beweis von Selbstvertrauen ist, werden sie es akzeptieren.«
    »Gut zu wissen.«
    »Nur eins brauchen Sie noch.« Velith greift nach meinem Kosmetik-Synthetisierer und drückt ein paar Knöpfe.
    Jetzt, da ich die farbigen Streifen bei seinen Artgenossen gesehen habe, kommt er mir noch nackter vor. Sie werden mit einem ausgefeilten Verfahren appliziert, primitiven Tätowierungen nicht unähnlich. Zuerst wird der spiegelglatte Panzer mit einer schwachen Säure angeraut, dann wird auf diese Stellen eine spezielle Tinte aufgebracht, die sich fest mit dem aufgeweichten Chitin verbindet. Ein bleibendes Statussymbol, das nur wieder abgeschliffen wird, wenn der Betreffende die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllt. Bisher habe ich nur zwei Ithorianer gesehen, die auf diese Weise bestraft wurden – gebrochene, bemitleidenswerte Kreaturen, die umherschlichen wie geprügelte Hunde.
    »Was ist das?«, frage ich.
    »Etwas, das Ihren Geruch überdecken wird.«
    Ich will schon protestieren und anführen, dass ich gerade erst geduscht habe, aber es wäre wohl nutzlos. Vielleicht stinke ich für seine Nase ja tatsächlich. Ich wünschte nur, er hätte es mir früher gesagt. Jetzt werde ich jedes Mal nervös die Luft um mich herum beschnuppern, wenn er in meiner Nähe ist.
    »Tut mir leid«, murmele ich.
    »Ich bin an Sie gewöhnt«, erwidert Vel. »Aber die anderen nicht.« Wahrscheinlich versucht er, es mir möglichst sanft beizubringen.
    Das Parfüm, das er gerade synthetisiert hat, ist so leicht, dass ich es kaum wahrnehme. Aber die menschliche Nase ist auch nicht die allerbeste. Wir sind eher audiovisuell veranlagt. Velith betupft mich mit dem Öl, und ich nehme einen leicht süßlichen Hauch wahr. Akazie vielleicht, wenn es die auf Ithiss-Tor überhaupt gibt.
    »Akazien, Jasmin, grüne Blätter und Mandarinen«, sagt Vel, der meinen fragenden Gesichtsausdruck richtig interpretiert hat. Kennt er mich tatsächlich schon so gut?
    Ich lächle. »Ich merke kaum einen Unterschied.«
    »Natürlich nicht. Unser Geruchssinn ist hoch entwickelt, und mein Volk kommuniziert unter anderem über Pheromone. Allerdings gilt das als nicht angemessen für formelle Anlässe. Sie ist eher etwas für … innigere Kontakte.«
    Aus seinem Zögern folgere ich, dass es um Sex geht. Ich werfe Constance einen kurzen Blick zu. »Wie rieche ich?«
    »Mit Ihrer Nase«, antwortet sie mit ausdruckslosem Gesicht.
    Ich bin nicht sicher, ob sie gerade einen Witz gemacht hat, aber lachen muss ich dennoch. Als wir hinaus auf den Korridor treten, sehe ich zu meiner Überraschung, dass Marsch, Jael, Hammer und Dina dort bereits auf mich warten. Bis auf ein paar goldene Verzierungen sind ihre Gewänder komplett schwarz. Sie lächeln mir verschwörerisch zu, bereit, meine Ehrengarde zu spielen. Schließlich

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