Mondglanz
es nicht rauskriegen, solange du nicht so rumschreist«, flüstere ich.
Marsch fuchtelt nur verärgert mit der Hand. »Das ist das Dümmste, Riskanteste …«
»Gerissenste?«, werfe ich ein. Er schaut mich fragend an, und ich spreche weiter: »Was kümmert es dich überhaupt? Ich dachte, du wolltest nur möglichst schnell möglichst weit weg von mir.«
»Ich will nicht, dass dir irgendwas zustößt. Du gehörst mir.« Das kam von irgendwo ganz tief in ihm, und Marsch schaut genauso verstört, wie ich mich fühle.
Besitzergreifend sein hat nichts mit Liebe zu tun. Aber wenn er in Bezug auf mich wieder einen Revierinstinkt entwickelt, ist das schon mal besser als nichts. Mit Beschützerinstinkten kann ich umgehen. Sie sind ein erster Schritt zu mehr.
»Tue ich das immer noch?«, frage ich leise. »Oder erinnerst du dich nur daran, dass es einmal so war?«
Er streckt die Hände nach unten und spreizt die Finger, aber ich fühle mich nicht bedroht. Es ist eine ruhelose Geste, eine verlorene. Er hat sich für das Bankett rasiert, und sein Kiefer ist wieder glatt und kantig wie früher. Ich muss mich zusammenreißen, um nicht seine wundervollen Lippen mit den Fingern zu befühlen. Es gab eine Zeit, da hätte ich dem Impuls ohne jedes Zögern nachgegeben, aber Marsch ist ein Tier – ein Tier, das hin- und hergerissen ist zwischen dem Menschen, der er einmal war, und dem, wie ich ihn gern wieder hätte.
Ich hoffe nur, er will es auch. Wenn ich an Adeles Göttin glauben würde, ich würde vielleicht sogar dafür beten. Er bedeutet mir so unendlich viel.
»Du gehörst mir«, wiederholt er mit tiefer, voller Stimme. »Manchmal habe ich das Gefühl, als wären wir untrennbar miteinander verbunden. Wenn ich dich ansehe, kommt es mir vor, als wärst du der Teil von mir, der fehlt … Ich kann nicht gehen, selbst wenn ich wollte.«
»Dann bleibst du also?« Ich kann das Zittern in meiner Stimme nicht unterdrücken. Ich versuche es nicht mal. »Du gehst nicht zurück nach Nicuan, wenn das hier vorbei ist? Willst nicht mehr leben wie ein König?«
Er schüttelt ganz langsam den Kopf. »Nur, wenn du meine Königin bist.« Marsch lächelt sogar.
Er ist noch nicht wieder der Alte, nicht ganz. Er steht kurz davor, aber die Verwandlung hängt von so vielen Faktoren ab, dass es unmöglich ist, die Erfolgsaussichten abzuschätzen. Dennoch fühle ich einen Schimmer echter Hoffnung.
»Möchtest du mir sagen, was dich auf dem Bankett so beunruhigt hat?«
Es war der Ausdruck auf meinem Gesicht, der ihn dazu bewegt hat, meine Gedanken zu lesen. Er hat mich gesehen und ist instinktiv in mich geschlüpft, wie er es immer getan hat, wenn er merkte, dass etwas nicht in Ordnung ist. Er reagiert auf einer Ebene auf mich, die sich seiner bewussten Kontrolle entzieht. Und deshalb kann ich ihn retten.
»Könntest du mich einfach festhalten?«, frage ich ohne Umschweife, wie ich es früher nie getan hätte. Aber ich wehre mich nicht mehr dagegen, wie sehr ich ihn brauche, seine Wärme und seine Kraft. Jetzt mehr denn je. Trotzdem bin ich nicht verletzt, als er erst einmal nachdenkt.
»Wenn du keine plötzlichen Bewegungen machst, dürfte nichts passieren«, erwidert er schließlich.
Ich sage mir, darüber brauche ich mir keine Sorgen zu machen. Er würde mir nie was tun. Er hatte genug Gelegenheit dazu. »Dann lass uns ins Bett gehen.«
Marsch zögert nur einen Sekundenbruchteil, dann nimmt er meine Hand und führt mich ins Schlafzimmer. Ich bin so glücklich darüber, nur dieses kleine bisschen von ihm wiederzuhaben, dass es fast wehtut. Das ist der Ort, an dem Mysterien gelüftet und ganze Reiche vernichtet werden: nicht in geheimen Besprechungen, sondern in dunklen Schlafzimmern.
»Jax«, flüstert er. Es klingt beinahe wie eine Beschwörung.
»Ja?«
»Kannst du nicht einen anderen Weg finden? Ich glaube nicht, dass ich mit der Frustration zurechtkommen werde.«
Er meint die Hinhaltetaktik, mit der ich zu seinen Gefühlen durchbrechen will. Ich halte es ja noch immer für eine gute Idee, aber Marsch weiß besser als ich, wie es um ihn steht. Und wenn er sagt, er kommt nicht damit zurecht, werde ich eben einen anderen Weg finden.
»Bestimmt.«
Ich ziehe mich nicht ganz aus. Ich meinte es ernst, als ich sagte, dass ich erst wieder Sex mit ihm haben will, wenn er aufrichtig sagen kann, dass er mich liebt, und ich werde ihn nicht unnötig quälen. Jetzt, da er mich darum gebeten hat, es nicht zu tun.
In Unterwäsche schlüpfen wir
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