Mondglanz
paarmal die Augen, um die Theorie zu überprüfen.
Vels Mandibeln bewegen sich, aber ich höre nichts. Als der Chip endlich anfängt zu arbeiten, scheint er auf Rodeisisch loszubrabbeln, und ich verstehe kein Wort. Währenddessen überlege ich, ob sich Vel jemals für Sartha auf den Rücken gelegt hat, wie es sich für ein folgsames Männchen gehört. Vielleicht ist es ja der Sex, den sie vermisst. Vielleicht ist sie deshalb so traurig, dass er Ithiss-Tor verlassen hat. Ich würde ihn ja auch vermissen, sollte ich ihn verlieren. Und sie kannte ihn schon viel länger als …
Heilige Scheiße, ist das etwa eine Riesenkrabbe?
Nein, nur mein Fuß.
Irgendwie sind wir unten angekommen. Ich erinnere mich nicht an die Fahrt im Lift, aber jetzt stehen wir wieder diesen bizarren Blumen-Wachposten gegenüber. Ob sie angreifen, sobald jemand versucht, ohne die Große Verwalterin an ihnen vorbeizukommen? Ich taumle zur Rückwand des Lifts und presse mich dagegen. Ich gehe da nicht raus. Etwas stimmt nicht mit diesen Pflanzen. Ihre Blüten sind … böse, sie sehen aus wie Verrückte, die einen durch ihre Zellengitter hindurch anstarren.
»Kommen Sie, Sirantha. Machen Sie einen Schritt. Für mich.«
Ich bin entsetzt, wie jung und verängstigt meine Stimme auf einmal klingt. »Nein, bitte, zwing mich nicht.«
»Das ist genau, was die Große Verwalterin will«, erwidert Vel streng. »Sie will alles zunichtemachen, was Sie erreicht haben. Wenn ihr Volk Sie so sieht, wie ein verängstigtes Kind, spielt das Karom in die Hände: Menschen sind impulsiv und irrational, rücksichtslos und unberechenbar. Man kann nie voraussagen, was sie tun werden, egal, wie sie sich in der Vergangenheit verhalten haben. Und deshalb müssen Sie jetzt da rausgehen. Einen Schritt nach dem anderen. Bleiben Sie still, und ich bringe Sie in Ihre Suite. Dort werde ich mich um Sie kümmern. Sie werden nicht sterben, auch wenn Sie sich vielleicht noch vor Einbruch der Dunkelheit wünschen, Sie wären tot.«
Ich kämpfe gegen meine hysterische Panikattacke an und konzentriere mich auf Vels Worte. »Also hat sie mir doch was ins Essen gemischt.«
»In der blauen Sauce war ein Gewürz, das bei Menschen schwere Halluzinationen verursacht. Es fiel mir erst auf, als Sie bereits davon gegessen hatten, Sirantha. Es tut mir leid. Ich habe versagt. Doch wenn diese Mission noch ein Erfolg werden soll, müssen Sie jetzt gehen. Nur einen Schritt. Kommen Sie.«
»Du hast nicht versagt.« Selbst in meinem momentanen Zustand begreife ich das, aber ich kann einfach nicht an diesen Pflanzen vorbei. Ich kann es nicht. Also schließe ich die Augen und tue so, als wären sie nicht da. »Kannst du mich führen?«
Es gab eine Zeit, da hätte ich diese Frage Marsch gestellt, aber diese Zeit ist vorbei. Was bedeutet, dass Vel der Einzige ist, dem ich noch wirklich vertraue. Er nimmt meinen Arm, und ich mache einen kleinen Schritt. Dann noch einen. Nichts zu sehen ist gar nicht so schlecht im Vergleich zu dem unscharfen, knallbunten Alles-doppelt-Sehen von vorhin.
Unterwegs werden wir nur einmal aufgehalten, und Vel erklärt dem aufdringlichen Kerl: »Die Botschafterin meditiert. Sie wird später mit Ihnen sprechen.«
Hämische Freude erfüllt mich. Die Ithorianer wissen nicht, dass wir Menschen eher selten mit geschlossenen Augen meditierend durch die Gegend wandeln. Trotzdem bin ich froh, als sich die Tür meiner Suite hinter uns schließt.
Vel führt mich zu dem Sofa, auf dem ich mir letzte Nacht Mairs Tagebuch angehört habe, statt zu schlafen. Ich traue mich nicht, mich in dem Gewand hinzulegen, aus Angst, ich könnte alles vollkotzen. Als ich versuche, Constance die Situation zu erklären, kommt nur wirres Zeug aus meinem Mund, doch sie bringt mich schließlich ins Schlafzimmer, wo sie mir hilft, den Pyjama anzuziehen.
Hilfsbereit wie immer, versucht sie, mich dazu zu bewegen, dass ich mich hinlege. Aber ich will jetzt nicht ins Bett, will nicht allein sein. Also stolpere ich zurück in den Wohnbereich. Ich möchte Vel fragen, wie lange die Wirkung des Gewürzes noch anhalten wird, aber was ich tatsächlich sage, ist: »Springwiesel will schwarzen Schnaps.«
Mariaverdammt . So benebelt im Kopf war ich schon seit etlichen Umläufen nicht mehr. Es gefällt mir nicht, wie sich die Welt um mich herum wie zum Spaß ständig selbst neu zusammensetzt, und allmählich wird mir mulmig dabei. Aber indem ich mich dagegen wehre, statt einfach die Show zu genießen, mache ich
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