Mondglanz
Fehler von mir zu warten. Ihre Augen funkeln wie polierter Obsidian, so hart, als wären sie aus dem Gestein eines uralten Vulkans gehauen. Es ist nichts Liebenswürdiges in diesen Augen, keine Empathie und kein Mitleid, nur eine kalte, fremdartige Intelligenz. Einzig und allein die Hoffnung, dass sie bei mir vielleicht ganz ähnlich empfindet, bietet einen gewissen Trost.
»Ich mag die Menschen nicht«, sagt sie geradeheraus. »Nichts Gutes ist jemals daraus erwachsen, wenn Ihresgleichen nach Ithiss-Tor kamen.« Ihr Blick wandert zu Vel hinüber. »Zuerst fliegt er mit ihnen weg, zerstört so viele Hoffnungen und Träume, und dann, als er zurückkehrte … Wir blicken auf eine lange, stolze Tradition als Jäger zurück, die sich nehmen, was sie wollen. Ich verhandele nicht gern mit einer Spezies, die so schwach ist wie die Ihre. Sie verfügen über keinerlei natürliche Möglichkeiten. Keine Zähne, keine Klauen, kein Panzer. Nur widerliches rosafarbenes Fleisch.« Ein leichtes Schaudern fährt durch ihren Körper. »Und wie Sie sich auf künstliche, technische Möglichkeiten verlassen, widert mich an.«
Das nenne ich eine Breitseite. Am liebsten würde ich ihr sagen, sie soll sich ins Knie ficken, aber ich zähle still bis fünf, schaffe es, meine Zähne nicht zu zeigen, und denke mir eine möglichst diplomatische Antwort aus, während Vel mir weitere Zeit erkauft, indem er möglichst lang übersetzt. Als kleinen Ansporn rufe ich mir Karl Fitzwilliam ins Gedächtnis, den schlechtesten Botschafter in der Geschichte des Universums.
»Ich weiß, wir müssen Ihnen sehr fremd erscheinen«, sage ich mit bewundernswerter Gelassenheit, wie ich finde. »Und gerade deshalb ist dies eine so wertvolle Gelegenheit für unser beider Völker. Ich hoffe, dieses Bündnis wird uns mehr Verständnis und Wertschätzung füreinander bringen.« Als Sahnetüpfelchen auf den ganzen Haufen Scheiße gibt es noch einen extra tiefen Wa .
Nimm das . Es geht mir unfassbar gegen den Strich, aber ich bleibe ruhig. Trotzdem, Maria ist meine Zeugin, ich will schleunigst hier raus. Was ich gerade gesagt habe, wird genauso wahrscheinlich eintreten wie der Fall, dass ich morgen beim Frühstück ein Heilmittel für den Jennerschen Retrovirus entdecke, aber ich tue mein Bestes. Große Umwälzungen wie diese brauchen Zeit.
»Was mich zum nächsten Punkt bringt«, fährt die Große Verwalterin fort. »Ich mag Ihr Volk zwar nicht, aber ich bewundere Ihre Taktik. Ihre Kenntnisse unserer Kultur sind fundiert, und Ihre Vorgehensweise ist effektiv. Sie haben sogar Unterstützer in meinem Volk gefunden, was ich für vollkommen unmöglich hielt. Und da es mir gefällt, Weibchen in Machtpositionen zu sehen – selbst unter minderwertigen Spezies –, habe ich Sie eingeladen, mit mir zu speisen. Ich glaube, wir haben etwas zu besprechen.«
Ich muss höllisch aufpassen, mir nicht anmerken zu lassen, dass ich jedes Wort verstanden habe. Also schaue ich einfach nur zu, wie sie die Flügel auf ihrem Rücken ausbreitet. Sie sind hauchdünn und irgendwie sinnlich, schimmern rubinrot und golden, und in der Mitte prangt ein riesiges Auge. Bei Tieren habe ich so etwas schon öfters gesehen. Normalerweise dient eine solche Pose dazu, Eindringlinge zu verscheuchen. Aber vom rein ästhetischen Standpunkt aus betrachtet, muss ich sagen: So etwas Schönes habe ich noch nie gesehen.
Als Vel ihre Worte übersetzt, höre ich nur halb zu.
»Haben wir das?«, frage ich.
Ohne die Flügel einzufalten, verschränkt die Große Verwalterin die Arme vor der Brust und lässt mich ihre roten Klauen sehen. Ich verstehe die Geste auch so – Aggression – und starre wie hypnotisiert die Augen auf ihren Flügeln an.
»Ja«, bekräftigt sie. »Wenn Sie nicht innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden abreisen, kann ich nicht länger für Ihre Sicherheit garantieren.«
22
Ein ungewöhnlicher Gesprächsaufhänger für ein gemeinsames Mittagessen.
Ich bin nicht sicher, ob ihre Worte eine Warnung oder eine Drohung sein sollen, und Otlili gibt mir keine Gelegenheit, nachzufragen. Stattdessen ruft sie einen Küchen-Bot, der alles in den Schatten stellt, was ich bisher gesehen habe. Er bereitet die Speisen frisch in seiner Brusthöhle zu, dann faltet er sich zu einem einfachen Tisch auseinander. Beinahe wortlos essen wir im Stehen.
Kein Wunder, dass Tarn meinte, es bestünde großes Interesse an ihrer Droiden-Technologie. Diese Dinger würden unsere Gourmet-Einheiten im Handumdrehen
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