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Mondglanz

Mondglanz

Titel: Mondglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
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mir. Keiner will ins Bett gehen, bevor sie nicht auch Marsch wieder freigelassen haben. Ich mache mir Sorgen um ihn. Er ist noch nicht gefestigt genug, um diesen Stress einfach so wegzustecken, und ich weiß nicht, was ich tun werde, wenn er einen Rückfall erleidet. Ich konnte es ja noch nicht einmal richtig genießen, ihn wiederzuhaben.
    Am späten Vormittag flackert Tarns Gesicht auf dem Schirm, ernst und entschlossen. Ich habe seine Nachricht bereits einmal abgespielt und kann immer noch nicht glauben, was er mir rät. Vor allem seine letzten Worte sind der Knaller.
    »Ich wiederhole, unternehmen Sie nichts . Lassen Sie die Ithorianer ihre Untersuchung durchführen. Zeigen Sie ihnen, dass wir Menschen ihre Methoden respektieren. Ich bin überzeugt, sie werden die Verantwortlichen bald gefunden haben und Ihnen, Sirantha, Ihre Geduld zugutehalten.«
    Also wieder mal Geduld. Meine allergrößte Stärke.
    Wenn er jemanden will, der gern tatenlos ausharrt, hat er die falsche Frau nach Ithiss-Tor geschickt. Ich wünschte mir, ich hätte gar nicht erst nach seinem Rat gefragt. Jetzt muss ich seine Anweisungen befolgen, alles andere wäre ein schwerwiegender Verstoß. Obwohl es mir zutiefst widerstrebt, nehme ich mir vor, diesmal eine brave Sirantha zu sein und einmal nicht das zu tun, was ich für das Beste halte.
    Leicht ist es nicht, denn ich mache mir die schlimmsten Sorgen. Ich wünschte, Vel wäre hier, auch wenn ich ziemlich sicher bin, was er sagen würde: Menschen haben keine Rechte auf Ithiss-Tor, und deshalb können sie mit uns machen, was sie wollen. Das macht mir Angst.
    Es ist kurz vor Anbruch der Dunkelheit, und ich habe schon bei zwei Runden Charm verloren, als Marsch endlich auftaucht. Ich lasse die Karten fallen und laufe ihm entgegen.
    Er muss vollkommen erschöpft sein, aber er hebt mich hoch und vergräbt sein Gesicht in meinen Locken. Seine Wärme ist das Schönste, das ich je im Leben gespürt habe. Minutenlang stehen wir in inniger Umarmung da, und keiner sagt ein Wort.
    »Sie würden es gern mir anhängen«, erklärt er schließlich leise. »Maria sei Dank haben sie keinen Beweis.«
    Entsetzt taumle ich einen Schritt zurück. » Was? Das ist absolut lächerlich.«
    Marsch zuckt mit den Schultern. »Gar nicht mal. Ich bin ausgebildeter Söldner mit hinreichend gewalttätiger Vergangenheit. Wäre nicht das erste Mal, dass ich für Geld getötet habe. Für einen Außenstehenden spricht alles für mich als Täter. Sie müssen die Indizien nur noch ein bisschen zurechtbiegen.«
    Jael blickt ihn düster an. »Was du da sagst, trifft auf mich genauso zu, Kumpel. Aber mich haben sie gleich wieder gehen lassen.«
    Allem Widerwillen zum Trotz werfe ich ihm ein zuckersüßes Lächeln zu. »Du siehst eben nicht aus, als wär dir so was zuzutrauen, Schönling.«
    Jael knurrt mir irgendetwas zu, aber er verstummt, als Dina ihn wütend anschaut. Für Jaels sensibles Ego haben wir jetzt keine Zeit. Noch bevor wir uns weiter streiten können, ertönt schon wieder der Türsummer. Es ist Vel.
    Bestens. Damit hätten wir beinahe alle wieder zusammen.
    Außer Constance. Ich traue mich nicht, auf dem Schiff nach ihr zu fragen, aus Angst, die Ithorianer könnten den Funkspruch übersetzen. Dann wüssten sie, dass sie ein Mitglied der Delegation übersehen haben. Vorausgesetzt, sie haben sie nicht schon aufgegriffen. Wenn ich nur sicher sein könnte, dass Abwarten jetzt das Beste ist. Kanzler Tarn ist meine PA scheißegal, aber mir nicht.
    Ohne darüber nachzudenken, begrüße ich Vel mit einem warmherzigen Wa , der von der Stellung meines Kopfes über die Haltung meiner Finger bis hin zu dem Winkel, in dem ich meine Unterarme halte, von Bedeutung durchdrungen ist. Diesmal weiß ich genau, was ich sage:
    Brauner Vogel heißt weiße Welle willkommen. Ruh dich aus, geschätzter Wanderer.
    Mehrere Augenblicke lang steht Vel reglos da, und ich glaube schon, etwas falsch gemacht zu haben. Doch dann verneigt er sich endlich, und seine Erwiderung geht mir durch und durch. Brauner Vogel erweist weißer Welle große Ehre. Stets drängt es die See zur Küste .
    Meine innere Stimme sagt mir, dass der Chip die Feinheiten nicht übersetzen kann, aber ich verstehe auch so: Meine Gesellschaft ist Vel zu einer neuen Heimat geworden. Wahrscheinlich das größte Kompliment, das er mir überhaupt machen kann.
    »Bist du etwa schon fertig mit Dolmetschen?«, fragt Hammer, als wäre Vel ein Kollaborateur, und ich werfe ihr einen

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