Mondglanz
Unterhaltung mit zwei aufstrebenden Unternehmern namens Arqut und Kalid.«
Ehon schließt seinen Bericht ab und richtet sich auf. »Für den Moment dürfte das genügen, Botschafterin. Sollte ich Sie noch einmal brauchen, weiß ich, wo ich Sie finde. Il-Nok, Sie dürfen die Botschafterin zu ihrem Quartier bringen, aber ich brauche Sie in einer Stunde wieder hier, um die anderen zu befragen.« Sein Abschieds- Wa jagt mir kalte Schauer über den Rücken.
Graue Natter jagt weiche, schläfrige Beute. Stiller Tod.
Ich lasse mir meine Gefühle nicht anmerken und unterdrücke ein Zittern. Danke für die Warnung, Vollidiot, aber ich bin nicht so verschlafen, wie du glaubst . Ich verneige mich mit einem kontrollierten Wa und bin froh, die drückend süßliche Gewächshausatmosphäre des Verhörraums endlich verlassen zu können. Velith folgt direkt hinter mir und legt mir eine Klaue auf die Schulter – nicht, um mich zu beschützen, sondern aufgrund irgendeiner Tradition, deren Ursprung mir im Moment entfallen ist.
»Die Sache wirft kein gutes Licht auf dich«, sage ich, nachdem wir das Gebäude verlassen haben. Draußen fegt mir kalter Wind um die Ohren.
»Der weitere Verfall meines Rufs kümmert mich nicht«, erwidert er. »Er ist ohnehin nicht mehr zu retten, und zumindest haben wir beide ein Alibi. So gesehen ist es ein echter Glücksfall, dass ich letzte Nacht in Gesprächslaune war.«
Inzwischen haben meine Zähne angefangen zu klappern, und Vel bringt uns eilig zum nächsten Bahnhof. Er ist sichtlich amüsiert, weil ich nie einen Mantel zur Hand habe, wenn ich einen brauche. Nur hat er diesmal seine Kopfgeldjägerausrüstung nicht dabei, um Abhilfe zu schaffen.
»Sie werden das Schlimmste von dir denken.«
Vel blickt mich einen Moment lang schweigend an. Das Rauschen des herannahenden Zugs ist das einzige Geräusch auf dem fast völlig verlassenen Bahnsteig.
»Sie wollen sagen, man wird mich für einen Sodomisten halten, der sich eine menschliche Liebhaberin nimmt?«
Meine Augen weiten sich. »Ich wollte damit nicht …«
Verdammt . Ihn zu beleidigen war das Letzte, was ich wollte. Mir ist es egal, was er tut oder nicht tut. Ich wollte auf die heftige Abneigung hinaus, die seine Rasse gegen uns Menschen verspürt.
»Lassen Sie mich es so sagen, Sirantha: Das Leben im Exil hat mich veranlasst, viele der Tabus zu überdenken, mit denen ich aufgewachsen bin. Jedes höher entwickelte Lebewesen verspürt nach einem bestimmten Zeitraum des Alleinseins eine gewisse Einsamkeit, und während meines langen Exils hatte ich tatsächlich sexuelle Beziehungen zu Menschen, nur wussten die meisten von ihnen nicht, wie ich in Wahrheit aussehe. Eines meiner Verhältnisse haben Sie sogar kennengelernt.«
Noch bevor ich etwas erwidern kann, fährt der Zug ein.
34
Jede Menge Fragen liegen mir auf der Zunge, als wir einsteigen. Wer, wann? Was genau ist zwischen euch gewesen? War es ein Mann oder eine Frau? Aber in Anbetracht der Umstände verkneife ich mir, in Vels Privatleben herumzuschnüffeln, so schwer es mir auch fällt. Im Moment gibt es dringendere Fragen.
Also sage ich einfach: »Ich wollte damit nicht andeuten, du wärst pervers oder so was. Ist doch klar, dass das Leben außerhalb von Ithiss-Tor nicht spurlos an dir vorübergegangen ist.«
Wie er bereits sagte, möchte kein höher entwickeltes Lebewesen sein gesamtes Leben in Einsamkeit verbringen. Die Beziehungen, die er aufgebaut hat, sind wahrscheinlich nicht vorwiegend sexueller Natur, und selbst wenn, würde es mich nichts angehen. Trotzdem kann ich meine Neugier nicht ganz unterdrücken. Wir sind einer Menge Leute begegnet, seit wir gemeinsam unterwegs sind. Wer von denen könnte es gewesen sein? Wusste er oder sie, wer Vel in Wahrheit ist?
Ithorianer leben sehr lange, also könnte er für menschliche Verhältnisse sehr lange Beziehungen eingehen. Er könnte sogar künstlich altern, vorausgesetzt, er hat die nötige Privatsphäre dazu. Ich stelle mir vor, wie es ist, jemanden, der einem ans Herz gewachsen ist, alt werden und sterben zu sehen. Keine schöne Aussicht. Klingt eher wie eine göttliche Bestrafung.
Selbst wenn Velith keine Liebe empfinden kann, wie wir Menschen es tun, und sich weniger fest bindet, würde der Verlust ihn sicherlich schmerzen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es irgendeinem fühlenden Wesen anders ergeht. Genau aus diesem Grund träume ich nachts immer wieder von der Amphibien-Mutter auf Marakeq, wie sie den gleichgültigen
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