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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
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vereinbarte Signal, dass der Kampf beendet war.
    Die Schreie von Drăculeas Mannen waren zum Wimmern einiger weniger herabgesunken.
    Die beiden Frauen rannten noch ein Stück den Pfad entlang und kletterten dann geschwind den steilen Hang hinab, bis sie die Kämpfer am vorderen Ende der Schlucht erreichten. Nur fünf walachische Kriegsmänner waren noch am Leben, und ohne Erbarmen schnitten die Roma ihnen die Kehle durch. Solana wandte sich ab, Veronika jedoch sah grimmig zu. Danach wurde ihre Wölfin ruhiger, ihre Wut, dass ihr der Kampf verwehrt geblieben war, sank zu einem dumpfen Grollen herab.
    Veronikas und Solanas Aufgabe war es, die Wunden der Roma zu versorgen, doch nur drei waren verletzt, darunter Senando, der sich mit verbissener Miene die Schulter hielt. Ein Kuss von Solana schien seine Schmerzen jedoch zu lindern.
    Veronika ließ ihren Blick über das Blutbad gleiten, über die Leichen, die die Roma aus der Schlucht zogen und hinter Büschen versteckten. Viktor war nirgends zu sehen, doch sie spürte, dass auch seine Wut verklungen war. Jene Toten, die vom anderen Ende der Schlucht gebracht wurden, zeugten von seiner Grausamkeit. Und obwohl sich ihre Wölfin am Geruch des blutigen Fleisches nicht störte, grauste es doch den Menschen in ihr. Sie wandte sich ab und war froh, dass sie Viktors Wüten nicht hatte mit ansehen müssen.
    Die Pferde, welche den Kampf unbeschadet überstanden hatten, wurden zusammengetrieben, und Veronika sah die Waffen, Gürtel und Schuhe der Toten in den großen Beuteln der Roma verschwinden. Das Gefühl des Triumphs war inzwischen von ihr gewichen und hatte dem Geschmack schaler Trauer Platz gemacht. Es sollte niemals eine Freude sein, Menschen zu töten, dachte sie, selbst wenn es aus gerechten Gründen geschah. Solana schien ähnlich zu empfinden, jedenfalls war ihr Gesicht blasser als sonst.
    Gerade wollte sich Veronika zu ihr gesellen, als Viktor am anderen Ende der Schlucht erschien. Sein Anblick veranlasste sie, alles andere zu vergessen und ihm entgegenzurennen. Er war immer noch ein Wolf, als wäre er zu schwach, sich zurückzuverwandeln – oder aber, weil die Schmerzen in der Wolfsgestalt erträglicher erschienen. Er humpelte und hielt den Kopf gesenkt. Sein graues Fell war blutverkrustet. Er blieb stehen, als sie bei ihm war. Sie ging neben ihm in die Knie. Er hechelte. Seine dunkelblauen Augen wanderten unstet über die Hügel.
    »Viktor!« Veronika versuchte, seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Endlich sah er sie an. »Darf ich …«, sie stockte, doch dann riss sie sich zusammen. »Darf ich Eure Wunden sehen?«
    Er reagierte nicht auf ihre Worte, sah sie nur weiter an. Sie fasste das als Zustimmung auf. Vorsichtig tastete sie über sein Fell. Trotz seines Alters und der Magerkeit war er ein prächtiges Tier, viel größer als ein gewöhnlicher Wolf. Aber er war schwach, so schwach. Seine Kraft war für sie kaum mehr spürbar. Seine Muskeln zitterten unter ihren Fingern. Zu ihrer Erleichterung war das meiste Blut nicht von ihm. Doch als sie seine Hüfte berührte, dort, wo vor einigen Wochen der Pfeil eingedrungen war, zuckte er zusammen und schnappte nach ihrer Hand. Sofort zog sie sich zurück und senkte den Kopf vor dem Rudelführer. Dann biss sie sich auf die Lippen. Wieder hatte der Instinkt ihrer Wölfin sie überlistet. Ohne weiteres Zögern streckte sie erneut die Hand aus.
    »Lasst mich sehen«, sagte sie bestimmt. Zu ihrer Überraschung gehorchte er, zeigte ihr seine Seite. Seine Augen flackerten unruhig. Er hatte schlimme Schmerzen, erkannte sie. Jetzt sah sie auch die Schwellung. Unter dem Fell auf seiner Flanke hatte sich die Haut dunkelrot verfärbt.
    »Die Wunde ist im Bauch wieder aufgerissen. Er hat innere Blutungen«, sagte eine leise Stimme hinter ihr. Es war Solana, die sich bis auf wenige Schritte genähert hatte. Sie legte Veronika eine Hand auf die Schulter.
    »Wird ihn das töten?«, flüsterte Veronika.
    Wie zur Antwort setzte sich Viktor wieder in Bewegung. Seine Hinterläufe zitterten, und das Bein unterhalb der Wunde schonte er, doch langsam hinkte er an ihnen vorbei. Er schaute nicht zurück.
    »Er will zurück zur Höhle.« Veronika stand auf.
Hoffentlich übersteigt sein Stolz nicht seine Kräfte.
»Folgen wir ihm.«
     
    Wann immer Veronika sich Viktor mehr als ein paar Schritte näherte, knurrte er sie an. Ansonsten weigerte er sich, sie oder den Rest der Gruppe – die ihnen mit den Pferden bald gefolgt waren, sich jedoch

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