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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
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Städte herbeiströmten, von Buda und von Pest, und auf den Namen ihres neuen Königs warteten. Sie versammelten sich auf dem Eis der Donau und an ihren beiden Ufern und blickten zur Königsburg hinauf. Ich konnte sie selbst aus den Fenstern sehen. Der Menge dauerte es in der Kälte aber zu lange, sie wurde unruhig. Irgendwer fing an, den Namen Mathias zu rufen, und andere fielen mit ein. Der anschwellende Lärm und das Glockengeläut drangen zu uns in den Verhandlungssaal. Die Würdenträger wurden unruhig, manche glaubten, ein Aufruhr sei losgebrochen. Michael ergriff die Gelegenheit. »Seht hinaus«, rief er. »Wollt ihr nicht endlich Graf Hunyadi zum König wählen, so wie es das Volk längst getan hat?« Ein Tumult brach unter den Ständevertretern los. In einigen Gesichtern stand Begeisterung, aber ich konnte auch Furcht erkennen, und als die ersten Hochrufe auf Mathias in ihren Reihen ertönten, stimmten die anderen ein. So erklärte Michael seinen Neffen für den gesetzlich gewählten König von Ungarn.‹«
    »Mein Onkel!«, rief Mathias strahlend und unterbrach Gábor. »Er steht also doch auf meiner Seite.«
    Gábor nickte, denn er musste Michael diesen Erfolg zugestehen. Dann jedoch las er weiter. »›Doch ehe sich die Würdenträger wieder setzen konnten, bat Michael erneut um Ruhe. »Sollen wir neben dem jungen König nicht auch gleich einen Regenten bestellen?«, rief er. »Oder wollt ihr euch im nächsten Monat wieder die Köpfe heißreden?« Viele nickten zustimmend, und daraufhin rief ein Mann Szilagyis Namen. »Ihr seid der Richtige für dieses Amt«, sprach er. »So treu, wie Ihr Eurem Neffen und dem Land bisher gedient habt!« Ich bin mir sicher, dass Michael selbst den Rufer vorher instruiert hatte, denn er wirkte nicht überrascht. Er sah zufrieden aus, als andere aus den Reihen der Stände zustimmten und ihn hochleben ließen. Während ein blasser Gara aus dem Raum schlich, erklärte sich Michael zum gesetzlich gewählten Regenten für die nächsten fünf Jahre.‹«
    Gábor ließ den Brief sinken. Er endete nach einigen abschließenden Zeilen ohnehin.
    Michael hatte sich selbst zum Regenten ernannt? Gábor kniff die Augen zusammen. Die überwältigende Neuigkeit von Mathias’ Wahl zum König hatte soeben einen gewaltigen Dämpfer erlitten.
    Die Reaktion von Mathias kam schnell und deutlich. »So ein Lump«, brüllte er und ballte die Fäuste. Seine braunen Augen blitzten vor Zorn. »Wie kann er das tun, ohne vorher mit mir darüber zu sprechen? Er …« Er schüttelte den Kopf. »Was soll ich nur mit ihm tun?« Der junge König sah Gábor bei diesen Worten an. »Er ist mein Onkel, aber er macht, was er will. Er hat mir zum Thron verholfen, aber ich kann ihm keinen Schritt trauen.«
    Gábor trat neben ihn, legte eine Hand auf die erhobene Faust des Jungen und drückte sie sachte herunter. Er war entsetzt über Michaels Handlung, viel mehr, als er es sich anmerken ließ.
    Szilagyi zeigte damit, wie wenig er noch gewillt war, sich an die Gesetze des Bundes zu halten. Mathias brauchte jedoch niemanden, der seinen Zorn noch schürte, er brauchte Besonnenheit und einen guten Plan, wie er Michaels Eigenmächtigkeiten beenden konnte.
    »Das dürft Ihr Euch nicht gefallen lassen«, sagte er ruhig. »Wir werden einen Weg finden.« Er legte eine kurze Pause ein. »Schließlich seid Ihr«, jetzt lächelte er und zeigte offen seine Freude, »König!« Und er ließ sich auf die Knie nieder und senkte den Kopf. »Eure Majestät.«
    Kurz war es still, als sei Mathias zu verblüfft, um darauf irgendetwas zu entgegnen. Dann hörte Gábor sein freudiges Glucksen. Er sah zu ihm auf.
    »Ach was«, rief Mathias mit leuchtenden Augen, und jäh sah er so jung aus, wie er war. »Steht auf, Gábor. Ihr seid mein engster Ratgeber und mein Freund, Ihr sollt aufrecht neben mir stehen. Ich bin König!« Er lachte. »Jetzt können wir nach Hause reisen!«
    Und ehe Gábor überlegen konnte, wo für den Jungen, der so viele Jahre in Gefangenschaft verbracht hatte, das Zuhause war, rief er es schon: »Auf nach Buda!«
    In den Karpaten, Januar 1458
    Es waren Solanas Tränen, die Veronika wieder in ihre menschliche Gestalt zurückholten. Zwei Tage war sie als Wölfin neben den Pferden der Roma hergelaufen, zwei Tage, in denen ihr Wolfskörper sie vor dem Schmerz über Viktors Tod und vor den folgenden Entscheidungen schützte.
    Gleich nach der Flucht der Türken hatten sich auch die Roma zum Rückzug entschlossen.
    Wie gerne

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