Mondherz
und Miklos dort sein. Wenn nicht, werde ich direkt zum neuen König gehen. Er muss erfahren, dass sich Drăculea mit den Türken verbündet hat.«
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26 . Kapitel
Buda, Anfang März 1458
S ie setzten mit dem Boot von Pest nach Buda über. Die Donau war angeschwollen von all dem geschmolzenen Schnee, den sie aus den Bergen mit sich brachte. Die Strömung riss das Boot ein Stück mit, so dass Solana unwillkürlich nach Veronikas Hand griff. Veronika lächelte stumm. Trotz Senandos Protest, der seine schwangere Frau am liebsten nie mehr aus den Augen lassen wollte, war sie mit ihr mitgekommen. Beide Frauen trugen das gleiche schlichte blaue Leinengewand und hielten sich fest an der Hand, trotzdem würde sie niemand für Schwestern halten.
Als das Boot die Strömung überwunden hatte und sich dem Ufer näherte, floss die Donau nur noch träge dahin. Vor ihnen leuchtete die Königsstadt in der Frühjahrssonne. Lärm drang bereits jetzt von den Straßen zu ihnen herüber. Neugierig sah Veronika sich um, sah die anderen Boote mit Reisenden, die aufgeregten Gesichter. Staunend ruhten die Blicke auf den Zinnen der stattlichen Königsburg, die über den bunten Ziegeldächern auf dem Hügel thronte, auf den flatternden Fahnen und auf dem mächtigen Kirchturm der Basilika, der alle Häuser überragte. Dort wurde heute der König gekrönt, aus Graf Mathias Hunyadi wurde König Mathias Corvinus. Der lateinische Beiname bedeutete Rabe, und das war das Tier auf dem Familienwappen der Hunyadis.
Veronika hatte vor, zu Michael zu gehen. Auf ihrer Reise hatte sie gehört, dass er zum Regenten ernannt worden war. Damit war er in Ungarn der mächtigste Mann nach dem König.
Und der mächtigste Werwolf.
Sie atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Michael war ein Frauenheld und Freund großer Worte, doch in Belgrad hatte er sie stets unterstützt. Sie hoffte, dass er dies auch in Buda tun würde. Sie musste ihn davon überzeugen, Truppen in die Walachei zu schicken und Drăculea zu vernichten.
Sie sah zu Solana, die sich ebenso aufmerksam umsah. Zum ersten Mal, seit sie ihren Vater im Gebirge beerdigt hatten, zeigte sie wieder ihre alte Lebhaftigkeit, und Veronika war froh darüber.
»Es gibt eine Zeit zu trauern und eine zu kämpfen«, hatte Solana gestern in der großen Versammlung der Roma in den Wäldern vor Pest gesagt. »Und jetzt ist die Zeit zum Kämpfen gekommen!«
Die Roma hatten Drăculea den Krieg erklärt, und nun wollte Veronika Unterstützung für sie erkämpfen. Doch sosehr sie versuchte, alle anderen Gedanken zu verbannen, es gelang ihr nicht.
Gábor war in Buda. Das konnte sie spüren. Und während sie ihn zu hassen versuchte, wollte ihre Wölfin nichts mehr, als ihn zu sehen.
Schließlich legte das Boot an und sie betraten den Hafen. Sie suchten sich einen Weg zwischen all den Menschen hindurch, die sich hier an den Schiffsanlegestellen tummelten. Kinder sprangen zwischen den Booten und den nahen Speicherhäusern umher, Händlergesellen schrieben in kostbare Papierbücher, Knechte hoben Fässer auf Karren, schleppten Tuchballen und Käselaibe, die groß waren wie Wagenräder. Direkt hinter dem Hafen kamen sie durch den Fischmarkt, dessen Gestank auch Solana die Nase krausen ließ. Sie ließen die Stände möglichst rasch hinter sich und stiegen bergan. Budas geschwungene Straßenzüge und Hügel schienen sie willkommen zu heißen. Wie bunte Holzperlen an einer Kette reihten sich die Gebäude aneinander und Fahnen tanzten in den Fenstern, als würden die Häuser fröhlich blinzeln. Hier war es ganz anders als im düsteren und kargen Temeschburg, und auch von der Spannung war nichts zu spüren, die im militärischen Belgrad geherrscht hatte. Solana keuchte bald aufgrund des steilen Aufstiegs, und Veronika reichte ihrer schwangeren Freundin stützend den Arm. Sie pausierten einen Moment und blickten zurück, den Hügel hinab auf die Donau, die unter ihnen wie ein Band aus Edelsteinen glitzerte.
Sie gingen schließlich weiter den Hügel hinauf, näherten sich der Basilika. Auf den Straßen lachten und redeten die Menschen durcheinander, Händler und Handwerker, Arme und Reiche. Das Gedränge wurde immer dichter, bis es kaum noch weiterging. Von dort, wo Veronika stand, sah sie die grauen Pfeiler und die hohen, schmalen Fenster der Basilika, die der Kirche trotz ihrer majestätischen Größe etwas Filigranes verliehen. Wie viel höher reckte sich ihr spitzer Turm in den Himmel hinauf als die rundlichen,
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