Mondherz
byzantinischen Kirchbauten, an die sie sich in Belgrad hatte gewöhnen müssen! Und in diesem Wunderwerk der ungarischen Baumeister wurde soeben Mathias Hunyadi gekrönt.
»Hört her«, riefen die Leute einander zu, »jetzt hat der Bischof ihm die Krone aufgesetzt.« Ehrfurcht und Freude sah sie auf den Gesichtern. Der Bericht wurde von Mund zu Mund weitergetragen.
»Der Regent Szilagyi reicht ihm das Zepter«, rief einer, und der Mann neben ihnen wiederholte die Worte, um sie nach hinten weiterzugeben. Er war schon älter, und er verzog das faltige Gesicht zu einem breiten Grinsen voller Zahnlücken. »Mädchen, dass ihr das erleben dürft«, rief er. »Merkt euch diesen Tag, ihr werdet euren Kindern noch davon erzählen.« Nach einem Zwinkern zu Solanas Bauch wandte er sich wieder um. Solana lachte, und ihre dunklen Augen blitzten.
»Der König, da kommt er, der König!« Plötzlich riefen alle Leute durcheinander und drängten nach vorne. Solana und Veronika wurden einfach mitgerissen. Aufgeregt spähte Veronika zwischen den Menschen hindurch, versuchte, einen Blick auf den König und seine Begleiter zu erhaschen. Doch ihre guten Augen halfen ihr nicht, es waren einfach zu viele Körper, die ihr das Blickfeld versperrten. Sie sah nicht mehr als das Bauschen eines roten Mantels und einen blonden Schopf, dann schloss sich die flüchtige Lücke wieder. Menschen um sie herum drängten, drückten, schoben nach vorne.
»Veronika«, rief Solana. Sie zog eine Grimasse. Eine Hand hatte sie schützend um ihren gewölbten Bauch gelegt. »Ich muss raus hier!« Sie starrte den Mann, der ihr gerade auf den Fuß trat, grimmig an. »Sonst teil ich Prügel aus.«
Veronika drängte sich zwischen sie und den grinsenden Mann, und rasch bahnte sie schiebend und stoßend einen Weg für sich und ihre Freundin. Ein frecher Kerl, der sich ihnen feixend in den Weg stellte, bekam ihre Wölfin zu spüren, als sie ihn einfach beiseiteschubste. Mit einem überraschten Schrei fiel er auf die hinter ihm Stehenden, die ihn jedoch nur auslachten.
Endlich waren sie in einer der Seitengassen angelangt, wo sie mehr Platz hatten. Keuchend lehnte sich Solana gegen eine Hauswand. Ihre roten Wangen glänzten. »Mein Kleiner hat etwas gegen Menschenmengen.« Sie lächelte, doch Veronika sah ihre Erschöpfung. Sie sah sich um, versuchte sich zu orientieren. Sie hatte allerdings keine Ahnung, wo sie waren.
»Wir fragen uns zum Stadthaus der Hunyadis durch«, entschied sie. »Es liegt zwischen der Basilika und der Königsburg.«
»Also dort, wo das Gedränge gerade am größten ist«, stöhnte Solana. Veronika seufzte. Solana hatte recht.
»Dann warten wir, bis der König in seiner Burg ist.« Sie verscheuchte zwei Schweine, die sich quiekend den Hang hinab trollten, dann lehnte sie sich neben ihrer Freundin an die Hauswand. Angenehm schien ihr die Sonne ins Gesicht, und für einen Moment schloss sie die Augen. Sie öffnete sie erst wieder, als sie ihren Namen hörte.
»Veronika!« Im gleichen Moment stand er vor ihr, mit einem breiten Grinsen und zwei blitzenden blauen Augen.
»Miklos!« Mit einem Schrei warf sie sich in seine Arme. »Wo kommst du denn plötzlich her?« Tief sog sie seinen vertrauten Geruch in sich auf.
»Das könnte ich dich auch fragen.« Er hielt sie auf Armlänge von sich weg. Sein vernarbtes Gesicht leuchtete vor Freude.
Auch ihr Herz hüpfte vor Glück. Miklos, ihr Bruder. Er schien sich überhaupt nicht verändert zu haben.
Plötzlich zog ein Schatten über sein Gesicht. »Ich habe mir Sorgen um dich gemacht«, stieß er hervor. »Alle Rudelmitglieder haben Viktors Tod gespürt, Gábor, Michael, ich. Es war wie ein Band hier drin«, er klopfte sich auf die Brust, »das gerissen ist.«
Veronika nickte. »Ich war dabei«, flüsterte sie, dann zog sie Miklos an der Hand zu Solana hinüber. »Und meine Freundin auch.«
Sie stellte die beiden einander vor. Dann setzten sie sich auf eine Mauer in der Sonne, und, sorgsam darauf achtend, dass niemand nah genug kam, um zuzuhören, erzählte sie Miklos alles, was vorgefallen war. Solana ergänzte sie, bis Miklos im Bilde war. Sein Gesicht war blass geworden.
»Dieses Verräterschwein Drăculea«, zischte er. »Du musst es Gábor erzählen. Er wird mit dem König darüber reden. Am besten gehen wir sofort. Wir wohnen in der Königsburg, und dort wird sich auch für dich ein Platz finden. Nach der Krönungszeremonie wird Gábor Zeit haben.«
Er sprang auf, doch Veronika blieb
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