Mondherz
Zunge«, erwiderte er schroff. »Vorlaute Mäuler konnte ich noch nie ausstehen.«
Arpad hustete trocken, er versuchte wohl zu lachen. »Hauptsache, du hörst mir zu«, sagte er. »Unser junger Freund hier hat vergebens versucht, mich auszuquetschen.« Erneut hustete er. »Was für ein Zufall, dass ich ausgerechnet an ihn geraten bin.«
»Du bist nicht unser Freund«, erwiderte Gábor kühl. »Sag, was du zu sagen hast, und dann gehe ich wieder.«
»Nicht so hastig.« Arpad hob eine ausgemergelte Hand, in der jedoch immer noch Kraft schlummerte. »Vorher brauch ich dein Wort, dass du auch was für mich tust.« Da war sie, Arpads Schläue, die Gábor trotz all der Jahre wieder an den frechen Bauernsohn erinnerte. »Beiß mich. Dann werde ich dir alles über deine Herkunft erzählen.«
»Du erzählst es mir jetzt«, knurrte Gábor. »Sonst werde ich es aus dir herausprügeln.«
Arpad seufzte. »Glaubst du, das hätte dieser Graf von Breunen nicht schon längst versucht? Und die Lage der türkischen Stellungen, die er von mir wollte, ist mir herzlich egal.« Er deutete auf die blauen Flecken, die wie ein Muster seine Arme überzogen, hob seine linke Hand, an der drei Fingernägel fehlten. Dann kicherte er. »Der liebe Graf wusste ja nicht, welches wertvolle Wissen ich wirklich mit mir herumtrage. Nein, du wirst dich auf meinen Vorschlag einlassen müssen.«
»Auf welchen Vorschlag?«, bellte eine Stimme, so kalt wie Eis.
Miklos reagierte schneller als Gábor. Er stellte sich breitbeinig in den Eingang der Zelle, als Pavel von Breunen darin erschien.
Der Älteste roch nach Schweiß und Tierblut, sein hagerer Körper war nur von einem knielangen Kittel bedeckt. Hinter ihm standen drei Männer seines Rudels.
»Lass mich vorbei«, schnauzte Pavel Miklos an. Für einen Augenblick sah es tatsächlich so aus, als wolle sich Miklos widersetzen, doch dann senkte er den Kopf und trat zur Seite. Kein Werwolf konnte sich dem direkten Befehl eines Ältesten verweigern. Pavels Augen blitzten vor Zorn, als er an ihm vorbeimarschierte.
»Was hast du mit meinem Gefangenen zu schaffen?«, herrschte er Gábor an. »Du solltest besser einen guten Grund haben, mich aus meinem nächtlichen Jagdausflug zu reißen.«
Gábor senkte den Kopf. Sein Wolf jaulte auf. Er konnte dem Ältesten nicht in die Augen schauen. »Ich bin auf Befehl des Königs hier«, erwiderte er.
»Und ich bat ihn, diesen Gefangenen zu befragen«, fügte Miklos hinzu.
»Diesen Gefangenen.« Pavels Augen loderten gelb. »Welches Interesse habt ihr an ihm? Lügt mich nicht an!«
Seine Kraft rollte wie eine Welle über sie hinweg. Gábor schloss die Augen. Er hasste es, wie sein Wolf sich vor Pavel krümmte, ein dummes Tier, das sich dem Stärkeren unterwarf. Er konnte, er wollte nichts sagen.
»Es geht um Gábors Herkunft«, sagte Miklos dünn. »Der Türke weiß etwas darüber.«
»Gábors Herkunft.« Pavels Lippen wurden schmal. Und erneut rollte seine Kraft über Gábor hinweg, eine kalte Wut, die ihn erzittern ließ. Die Zeit schien stehenzubleiben. Dann stieß Pavels Hand wie ein Habicht auf Gábor zu, presste ihn gegen die Kerkerwand. »Dein verfluchter, herumhurender Vater, dessen Blut selbst der Wolfsbund nicht übertünchen kann. Ich hätte dich töten sollen, als Viktor es mir erzählte. Der alte Idiot wollte nicht auf mich hören, wollte den harmlosen Welpen nicht umbringen, der sich halb verhungert in sein Rudel geschlichen hatte.«
»Viktor.« Arpad wisperte. Aus aufgerissenen Augen starrte er Pavel an. »Bei Allah, du bist auch einer von ihnen.«
Gábor hatte das Atmen vergessen. Er spürte die kalte Wand an seinem Rücken nicht, spürte nicht, wie ihm Wassertropfen über die Haut rannen. Er starrte Pavel an, und sein Herzschlag dröhnte ihm in den Ohren. Er wollte etwas sagen, wollte ihm tausend Fragen an den Kopf werfen, doch ihm fielen keine Worte ein.
Pavel ließ Gábor los und wandte sich abrupt von ihm ab. Ein endloser Moment verging, dann fletschte Pavel die Zähne in Richtung des Türken. »Das bin ich. Und du wirst mir sagen, was du weißt, ehe ich dich töte, das verspreche ich dir.«
Pavel verließ die Zelle und stellte sich vor die Wölfe seines Rudels. Seine Augen waren enge Schlitze, als er Gábor und Miklos musterte. »Aber vorher kümmere ich mich um diese beiden Verräter. Packt sie!«
Buda, Juli 1458
Veronika hastete den Gang hinunter. Nur ihre Schuhe hatte sie angezogen, ihren Mantel umgeworfen und ein Messer vom
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