Mondherz
schüttelte Miklos den Kopf. »Bleib erst einmal hier, wir müssen miteinander reden«, murmelte er. Er versperrte Gábor den Weg zur Zelle und wies auf die Tür nach oben.
Gábor runzelte über das dreiste Verhalten seines ehemaligen Schülers unwillig die Stirn, doch er sah ein, dass Miklos recht hatte. Auf der Treppe blieb er stehen, während Miklos sorgsam die Tür hinter sich schloss. »Wenn es der König nicht befohlen hätte, weil er um meine Gesundheit besorgt war«, sagte Gábor, »wäre ich niemals hergekommen.«
»In diesem Fall danke ich dem König«, antwortete Miklos ernst. »Gab es denn bereits Mordanschläge auf dich?«
»Zwei«, knurrte Gábor. »Doch nichts, was ich nicht hätte abwehren können.«
Miklos sah ihn nachdenklich an. »Es muss ernst genug gewesen sein. Weiß Veronika davon? Ich hatte Paulo gebeten, auch ihr alles zu erzählen.«
Gábor wandte sich ab. Er hatte nicht vorgehabt, über Veronika zu reden, doch Miklos eine Antwort zu verweigern kam ihm ungerecht vor.
»Ja«, sagte er leise, mit dem Rücken zu Miklos. »Sie hat inzwischen den König kennengelernt und ihn dazu gebracht, mich wegzuschicken.«
»Sie hat was?« Miklos schnappte nach Luft. Er sah nicht allzu erfreut aus.
»Reden wir nicht darüber«, schnaubte Gábor. »Bring mich lieber zu diesem Lügner Arpad.«
Miklos senkte den Kopf, als hätte es ihm die Sprache verschlagen. Schließlich holte er tief Luft. Er schien etwas sagen zu wollen, doch dann entschloss er sich anscheinend, Gábors Bitte zu folgen, und sprach stattdessen über Arpad. »Ich halte den Türken nicht mehr für einen Lügner. Nicht, nachdem ich beobachtet habe, wie er Pavels Folter bisher widersteht.« Er seufzte. »Es ist ein Wunder, dass er noch lebt. Er hat Pavel bisher weder von den Türken noch von seinem Dienst für Drăculea erzählt. Er muss einen wirklich starken Willen haben. Pavel hätte ihn vor wenigen Tagen getötet, wenn ich mich nicht dagegen ausgesprochen hätte. Ich habe Pavel versprochen, dass ich dem Türken Informationen entlocken werde. Er vertraut mir, deshalb hat er mir den halbtoten Mann überlassen.«
Er setzte sich auf eine der Treppenstufen. Gábor schritt währenddessen unruhig durch den Vorraum und schüttelte die Regentropfen aus seinem Mantel. Seine feuchten Haare kringelten sich auf der Stirn.
»Ich habe Arpad gesagt, wer ich bin«, fuhr Miklos fort. »Seitdem redet er mit mir.«
»Du meinst damit«, unterbrach Gábor ihn ungläubig, »dass du ihm von deiner Wolfsnatur erzählt hast?«
Miklos nickte.
Am liebsten hätte Gábor ihn bei den Schultern gepackt und geschüttelt. »Das alles wegen ein paar Lügen, die er den Roma aufgetischt hat?«, schrie er. »Du musst in dieser Einöde verrückt geworden sein.«
»Nicht verrückter als vorher.« Miklos grinste unverdrossen. »Aber ich bin sicher, dass Arpad etwas über dich weiß. Etwas, das wichtig genug ist, dass dich einige Leute ermorden wollen.«
»Und was soll das sein?« Gábor raufte sich die Haare. Er wollte, er konnte nicht glauben, dass an dieser ganzen Geschichte tatsächlich etwas dran sein sollte.
Miklos schüttelte den Kopf. »Arpad will es nur dir selbst sagen. Er ist verwegener als jeder andere Mensch, den ich bisher getroffen habe«, sagte er leise. »Er würde alles tun, um einer von uns zu werden.«
»Das wird nicht geschehen.« Gábor verengte die Augen. »Er ist ein Türke. Und er hat Viktor umgebracht.«
Miklos schüttelte traurig den Kopf. »Er und seine Männer haben einen Auftrag ausgeführt. Das hast du auch schon getan.«
Gábor musterte Miklos ungläubig.
Rote Flecken erschienen auf Miklos’ Wangen, doch er hielt dem Blick stand. »Gehen wir zu ihm«, sagte der junge Mann.
Arpad hatte sich eine Decke um die Schultern gewickelt, trotzdem zitterten seine Finger vor Kälte. Wasser rann an den Wänden des Kerkers herab, sammelte sich in kleinen Lachen und tränkte die Luft mit fauligem Geruch.
Der Türke hob nur langsam den Kopf, als die beiden Werwölfe seine Zelle betraten. »Du hast dir aber Zeit gelassen, alter Freund.« Er grinste, wobei kleine Blut- und Dreckklumpen von seiner Haut abplatzten.
Gábor verspürte den Impuls, vor ihm zurückzuweichen. Nicht wegen Arpads grausigem Aussehen. Gábor hatte schon schlimmer zugerichtete Gefangene gesehen, auch Frauen und Kinder, die noch verhungerter aussahen. Es war das ungebrochene Leben, das herausfordernd in Arpads hellbraunen Augen blitzte, das ihn verstörte.
»Hüte deine
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