Mondherz
Gábor stand viel zu nah vor ihr. Sein Arm unter ihren Fingern war muskulös und fest. Die Hitze seiner Haut schien ihre Hand zum Glühen zu bringen. Sein Duft verdichtete sich zu einer dunklen Wolke, die ihre Sinne verwirrte. Die Wölfin in ihr drängte unerklärlicherweise nach vorn, wollte ihn weiter berühren, seine Schultern, seine Brust, aber Veronika wich ein Stück vor ihm zurück. Er ließ sie jedoch nicht los, sondern ging den Schritt mit, so dass er nun dichter vor ihr stand als zuvor.
»Was verbindet Euch mit Michael Szilagyi?«
Sie blinzelte. »Worauf wollt Ihr hinaus?«
»Steigt Ihr zu ihm ins Bett?« Sein Ton war grob.
Empört riss sie die Arme nach oben. Endlich ließ er sie los. »Was fällt Euch ein?«
»Ihr seid mein Mündel, ich bin für Euch verantwortlich. Beantwortet meine Frage.«
»Ich liege nur in meinem eigenen Bett!« Sie starrte ihn an. »Wie kommt Ihr dazu, mir etwas anderes zu unterstellen?«
Sein Blick war voll zornigem Argwohn. »Ich war doch dabei, eben im Wald. Ich habe gesehen, wie er Euch berührt hat. Wer weiß, was passiert wäre, hätte ich Euch nicht bei Eurem Ausflug begleitet.«
»Ich war schon oft mit Michael in den Wäldern. Er würde mir nie etwas tun!« Veronika stockte. Dieses Mal war etwas anders gewesen als sonst. Vage erinnerte sie sich an Michaels Nähe, sein helles Fell neben dem ihren, und ihr passives Widerstreben gegen seine Zärtlichkeiten. Sie blickte auf. »Deshalb habt Ihr ihn angegriffen? Ihr habt ihn gebissen und schwer verletzt!«
»Ja.« Gábors Augen blitzten. »Und das ist Eure Schuld. Schämt Ihr Euch nicht? Erst schäkert Ihr mit ihm bei Tisch wie eine Dirne und jetzt spielt Ihr die Unschuldige!«
Ihre Wut überrollte sie wie eine schwarze Welle, und sie ließ alle Vorsicht fahren. Sie schlug ihm ins Gesicht. »Haltet den Mund!«
Seine Hand schoss vor und packte sie am Arm. Erschrocken keuchte sie auf. Rot zeichnete sich ihr Handabdruck auf seiner Wange ab. Sie versuchte, sich aus seinem Griff zu winden, doch er hielt sie so fest wie eine Eisenklammer. Ihre Gesichter waren nur noch eine Handbreit voneinander entfernt.
»Mehr habt Ihr mir nicht zu sagen?«, zischte er. Seine Augen brannten.
»Lasst mich in Ruhe und sucht Euch jemand anderen, den Ihr quälen könnt«, stieß sie hervor. »Habt Ihr mir nicht schon genug angetan?«
Endlich ließ er sie los. »Ihr habt meine Frage noch nicht ausreichend beantwortet. Was ist zwischen Euch und Michael?«
Sie wandte sich halb ab und rieb sich den Arm. »Er ist ein Freund. Er kümmerte sich um mich, während Ihr unterwegs wart. Wollt Ihr ihm das zum Vorwurf machen?«
»Michael ist nur sein eigener Freund. Er nimmt sich, was er will, ohne die Konsequenzen zu bedenken. Das gilt besonders für Frauen.« Er stockte. »Ihr seid unerfahren und dabei hübsch genug, ihm den Kopf zu verdrehen.«
Sie sah ihn an. Ihr Herz machte einen Satz. Er fand sie hübsch. Wieso sagte er das? Sie hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit. Doch sie schüttelte erneut den Kopf. »Vielleicht bin ich hübsch, aber ich bin deshalb ganz sicher keine Dirne.« Dieser Vergleich hatte sie zu sehr verletzt, um ihn zu vergessen, und er machte sie immer noch wütend. »Was geht nur in Euch vor?«, fragte sie. »Ihr beleidigt mich. Ihr greift unseren gemeinsamen Freund an. Was wollt Ihr eigentlich von mir?«
Er zögerte, fuhr sich über die Stirn, senkte zum ersten Mal seinen Blick. Seine Kiefermuskeln spannten sich an. »Ich muss Euch schützen, ich bin Euer Vormund. Und ich musste wissen, wie es um Eure Gefühle steht.«
Ihre Gefühle? Sie musterte ihn aufmerksam. War es vielleicht nicht sein Pflichtgefühl, das ihn trieb, sondern Eifersucht? Ungläubig schüttelte sie den Kopf. Das konnte nicht sein. Er behandelte sie wie ein unerwünschtes Balg, das man für Monate allein lassen konnte, wie sollte er da Eifersucht spüren? Doch die Wölfin in ihr wollte es glauben, drängte ihm entgegen und wollte ihm versichern, dass es keinen Grund für Eifersucht gab. Rasch schaute sie zu Boden, verkrampfte ihre Hände ineinander. Es war, als zerrisse ihr Innerstes in einem Kampf, den sie nicht verstand. Was wollte die Wölfin von ihm? Er war ein Fremder für sie, der sie auch noch beleidigte. Michael war es, dem ihre Loyalität gelten sollte.
Eine Weile schwiegen sie beide. Als Veronika wieder aufsah, hob Gábor gleichzeitig den Kopf. Ihre Blicke trafen sich, und … plötzlich war sie wieder da, die Verbindung, die sonst nur ihre
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