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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
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daran, wenn es nun nicht mehr ertönen würde. Sie hatte ihr Versprechen gebrochen, sie nie zu verlassen, und hatte sie alleine in die Fremde ziehen lassen. Schuld und Schmerz schnürten ihr die Kehle zu.
    »Sollen wir uns zurückziehen?«, fragte Gábor leise.
    »Nein.« Sie sah auf. Einsamkeit konnte sie jetzt nicht ertragen. »Ich bitte Euch, bleibt hier und trinkt den Wein aus. Ich werde mich nur kurz zurückziehen und ein Gebet sprechen.« Sie blickte zu Michael. »Vielleicht kann einer der Priester morgen eine Messe für Elisabeth lesen.«
    Keiner der Männer entgegnete etwas. Gábor runzelte die Stirn, die anderen beiden musterten sie überrascht, wohl weil sie eine fast mannhafte Stärke hinter ihren Worten vermuteten. Oder war es eher eine Härte, die ihnen unziemlich für eine Frau erschien? Sie selbst wusste, dass es vor allem eine Maske war, um ihre Schwäche zu verbergen. Sie zog sich hinter den Vorhang zurück, der ihr Schlafgemach verbarg, und kniete sich auf den Boden. Nun kamen die Tränen, wie große Regentropfen perlten sie ihr über die Wangen und tropften auf ihre Hände.
    Während die Männer stockend ein Gespräch begannen, gab sie sich ganz ihrer Trauer hin. Sie machte sich keine Illusionen darüber, dass die feinen Ohren der Werwölfe auch noch den leisesten Schluchzer vernahmen. Doch sie konnten sie ignorieren, was einfacher für alle war. Veronikas Tränen flossen schneller. Ihre Cousine war der einzige Mensch aus ihrem alten Leben gewesen, dem sie noch etwas bedeutet hatte, das letzte Bindeglied an eine Welt, die sie nun für immer verloren hatte. Schon vorher hatte es keinen Weg zurück gegeben. Doch das Wissen, dass Elisabeth ebenfalls in der Fremde weilte, mitleidlos in die Sippe der Hunyadis geworfen wie sie, hatte ihr das lächerliche Gefühl gegeben, nicht alleine zu sein. Jetzt war sie es ganz und gar. Verzweifelt wiegte sie sich vor und zurück, die Hände aufs Gesicht gelegt.
    Das Gespräch der Männer wurde wie durch einen Schleier abgedämpft. Es dauerte eine Weile, bis Veronika wieder Teile ihrer Unterhaltung mitbekam. Sie scherzten miteinander, als wäre nichts geschehen. Für sie war Elisabeth Cilli eben nicht mehr als ein Name im Gefolge der Grafengeschlechter. Veronika schluckte.
    »Habt ihr im Unterricht schon über Ladislaus gesprochen, den Kinderkönig, der blass und willenlos unter Cillis Fuchtel in Buda sitzt?«, fragte Michael gerade. »Oder seid ihr immer noch beim alten Römischen Reich? Oh je, wie langweilig für einen jungen Kerl wie Miklos.«
    »Mir schien immer, du mochtest keine Zeit lieber als die der Römer.« Gábors Stimme war leiser, aber fast ebenso spöttisch wie die seines Gegenübers. »Gutes Essen, eine Handvoll Frauen, ein feines Kleid, und das alles zur Tugend eines Feldherrn erklärt. Du kannst nicht leugnen, dass dies ganz deinem Geschmack entspricht.«
    »Was Frauen und Essen angeht, da hast du mich erwischt. Aber nicht das Kleid.« Michael schnaubte. »Das fehlt noch, dass ich mich in die kurzen Röcke der Römer stecken lasse. Da laufe ich lieber nackt herum.«
    Unwillkürlich lächelte Veronika unter all den Tränen. Sie fuhr sich über die Augen, schluchzte ein weiteres Mal erstickt auf, dann wurde ihr klar, wie vermessen ihr Selbstmitleid war. Michael war vielleicht ein Frauenheld mit großer Zunge und Miklos ein wortkarger Wüterer, doch beide waren hier. Und Gábor? Stunden hatte er bereits in der Frauenstube verbracht, um sie zu unterrichten. Abseits des Unterrichts erschien er oft kalt und abweisend, das war gewiss. Aber auf eine seltsame, abwechselnd schroffe und galante Art schien er sie zu mögen, und dieser Gedanke ließ ihr Herz flattern. Keiner der drei Männer mochte unschuldig sein, doch sie waren für sie da.
Mein Rudel,
dachte sie, und dabei fühlte sie sich besser. Sie schloss noch einmal die Augen.
Verzeih mir, Elisabeth, dass ich mich selbst beweint habe, statt um dich zu trauern.
Sie spürte den Verlust der Freundin wie einen Mühlstein, dessen Gewicht auf ihren Schultern lag.
Ich werde dich vermissen. Und ich werde mich wegen dir grämen, bescheiden und mit Bedacht, wie es dir gebührt. S
ie erhob sich und wischte sich die Wangen trocken. Als sie ihr Kleid geordnet hatte, schob sie den Vorhang beiseite und ging zurück zu den anderen Werwölfen.
    Noch lange saßen sie zusammen und tranken Wein, und selbst Gábor blieb bis in die Morgenstunden. Erst am nächsten Tag fiel Veronika auf: Es war die Thomasnacht gewesen, die

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