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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
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selbst noch nicht so genau«, erwiderte Miklos. »Du bist einzigartig, das war eine ganz neue Erfahrung für uns alle.«
    »Wie meinst du das?«
    »Es hieß immer, dass Frauen beim Wolfsbiss sterben. Dann tauchst du auf und überlebst. Keiner scheint zu wissen, was das bedeutet.«
    »Ich bin die einzige Werwölfin?« Diese Eröffnung machte Veronika für einen Moment sprachlos. Ihre Gedanken wirbelten. Stets hatte sie geglaubt, nur in Viktors Rudel gäbe es keine Frauen, doch sie hatte gehofft, später einmal auf eine zu treffen und in ihr vielleicht sogar eine Freundin zu finden. Nein, sie mochte Miklos nicht so recht glauben. »In Frankreich, in Spanien, irgendwo muss es doch Werwölfinnen geben!«
    Doch Miklos schüttelte den Kopf. »Es gibt keine außer dir.« Er griff nach ihrer Hand. »Mir ging es schlecht, nachdem ich dich gebissen hatte«, sagte er leise. »Ich dachte, ich hätte ein unschuldiges Mädchen getötet, und Gábor war so wütend, ich glaubte, er würde mich verstoßen. Stattdessen hast du dich verwandelt und bist nun vom gleichen Blut, bist meine Wolfsschwester.« Er drückte ihre Finger.
    Veronika hielt still. Seine Worte berührten und entwaffneten sie zugleich. »Und du bist mein Bruder.« Sie schnaufte. »Aber …«
    »Kein Aber.« Er ließ ihre Hand los und erhob sich. »Stell nicht immer alles in Frage, Veronika, das macht dich nämlich anstrengend.« Er grinste und nahm seinen Worten so die Schärfe.
    Ihre Erwiderung ging in einem dumpfen Schlag unter. Er erschütterte die Wände und dröhnte in ihren Ohren lauter als Donner. Sie schrie auf und hielt sich an der Wand fest. Staub löste sich von dem Fresko an der Decke und rieselte herab. Im nächsten Moment war Miklos da und packte sie am Arm.
    »Die Türken haben wieder mit ihrem Beschuss begonnen!«, rief er, seine blauen Augen weit aufgerissen. Die Narben auf seinen Wangen glühten rot.
    Erneut donnerte es, doch dieses Mal weiter entfernt.
    Veronikas Knie zitterten, während sie sich an die Säule lehnte. »Wann wird das aufhören?«, flüsterte sie.
    Miklos hob nur die Arme und sah genauso hilflos drein wie sie.

[home]
    9 . Kapitel
    Rechtes Donauufer bei Mohács, Juni 1456
    D ie Luft im Zelt war stickig und eine Öllampe warf zuckende Schatten an die Stoffwände. Gábors Augen suchten für einen Augenblick, bis sie in einem der Schatten Johann Hunyadi erkannten. Der Graf saß reglos auf einem Schemel.
    »Setzt Euch zu mir.« Seine Stimme war leise und klar.
    Gábor ließ sich schweigend nieder. Von draußen drangen gedämpft die Geräusche des Heerlagers zu ihnen herein. Männer murmelten, Schwerter wurden geschärft, Pferde schnaubten und Ochsen brüllten.
    »Ihr wisst, was der Bote mir berichtet hat.« Die Worte des Grafen waren keine Frage, sondern eine Feststellung. Gábor nickte dennoch. Der Reiter mit dem Belgrader Wappen war in der Abenddämmerung auf der Hügelkuppe über ihrem Lager aufgetaucht und direkt zum Zelt des Grafen geleitet worden. Gábor hatte sein erschöpftes Gesicht gesehen, das Zittern seiner Beine nach dem beschwerlichen Ritt. Der Mann brachte schlechte Nachrichten.
    »Wann sind sie in Belgrad eingetroffen?«, fragte er.
    »Vor fünf Tagen.«
    »Wie viele?«
    »Zweihundert Galeeren und etwa neunzigtausend Mann.« Der Graf zog zischend die Luft ein. »Und mein Schwager verfügt über siebentausend Männer, die Hälfte davon schlecht ausgebildete Miliz.«
    Gábor nickte. Er zwang sich, in Ruhe nachzudenken, auch wenn sein erster Impuls war, aufzuspringen und einfach in seiner Wolfsgestalt nach Belgrad zu rennen. Miklos und Veronika waren in der Stadt eingeschlossen, die sich jederzeit von einem schützenden Bollwerk in ein Grab verwandeln konnte.
    »Wir sind noch vierzehn Tagesmärsche entfernt«, sagte er. »Zwölf, wenn Ihr alles aus Euren Männern herausholt und sich die Türken nicht in den Weg stellen.«
    »Zwölf Tage«, wiederholte Hunyadi. »Michael muss davon erfahren, damit er bis dahin keine Verzweiflungstaten begeht. Wie schnell ist Euer Pferd?«
    »In vier Tagen könnte ich es schaffen, ohne das Tier vorher zuschanden zu reiten.«
    »Ihr habt noch diesen geheimen Weg in die Festung?«
    Gábor nickte. Nie hatte der Graf Fragen über seine wölfische Seite gestellt. Ihm genügte offenbar das wenige, was er vor vielen Jahren von Viktor erfahren hatte, da er den Werwölfen vertraute. Genauso schien es ihm nun auszureichen, zu wissen, dass der Tunnel intakt war, ohne dass er nachbohrte, wo sich dieser

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