Mondherz
unterdrücken.« Miklos war ihrem Blick gefolgt. »Früher fanden hier Konzerte statt.«
Sie nickte nur und strich mit einer Hand über die flauschigen Wände. Sie konnte Gábors Duft riechen, der so deutlich in der Luft hing, als hätte er den Raum nur kurz verlassen.
»Die Kammer.« Miklos deutete auf einen der Teppiche. Dahinter war eine Tür versteckt. Er öffnete sie, und Veronika trat hinter ihm ein. Der Raum war fensterlos und dunkel und von allen Seiten drang der Geruch auf sie ein. Gábor war hier eingeschlossen gewesen. Michael und Miklos ebenfalls. Ihr Schweiß und ihre Wut hatten die Mauern wie Schmelzwasser durchdrungen, und über allem lag der schwere, wölfische Duft ihrer Verwandlungen.
»Das ist grausam«, flüsterte sie. »Warum kann ich nicht mit der Verwandlung warten, ohne dass mich das Wolfsblut zum Wahnsinn treibt?«
Miklos hob die Schultern. »So ist es nun mal. Nur die Ältesten können ihren Wolf länger als ein paar Wochen bezwingen. Du dagegen würdest in zwei Tagen die Bediensteten anfallen.« Er feixte.
»Die Ältesten?«, fragte Veronika nach. Immer wieder versuchte sie, mehr Informationen über die Werwölfe aus Miklos herauszulocken. Meist scheiterte sie jedoch daran, dass er sich einfach dumm stellte.
Miklos fuhr sich über den Mund und seufzte. »Du weißt doch, wer sie sind«, brummte er. Er verließ die Kammer und ließ sich auf einer Bank nieder.
»Der Mönch, der Feldherr, die rechte Hand, der Kreuzfahrer und der Gerechte«, zählte Veronika auf, während sie ihm folgte. »Wen von ihnen hast du schon getroffen?«
»Viktor. Er hat mich in den Bund aufgenommen.«
»Und wie ist er?«, fragte sie begierig.
»Alt. Gelehrt.« Miklos hob erneut die Schultern. »Ein Einsiedler. Er lebt in einer Höhle am Schwarzen Meer.«
»Und sein Rudel lässt er alleine.« Veronika runzelte die Stirn. »Gábor sagte einmal, dass Viktor Augen und Ohren hätte, die ihn über alles auf dem Laufenden halten. Wen meinte er damit?«
»Zigeuner«, sagte Miklos. Er seufzte, als bereute er, davon angefangen zu haben.
Sie starrte ihn an, wartete darauf, dass er weitersprach. »Nun erzähl schon«, rief sie schließlich.
»Hast du schon mal welche gesehen?«, fragte er. Sie schüttelte den Kopf. »Sie reisen durchs Land«, sagte er, »schicken ihre Kinder in die Dörfer, um zu betteln, und verdingen sich als Kesselflicker oder Pferdehändler.«
Das wusste sie jedoch schon. »Ich habe gehört, sie stehlen und lügen gern. Und es heißt, sie stammen aus Ägypten«, ergänzte sie. »Was hat Viktor mit ihnen zu tun?«
»Er hat vor vielen Jahren Mircea, einem Fürst der Walachei gedient«, erzählte Miklos. »Durch die Walachei führt eine der wichtigsten Wegstrecken der Zigeuner, doch die Leute dort mögen sie nicht. Sie galten als geächtet, bis Viktor bei Mircea erreichte, dass sie das Durchreiserecht bekamen. Seither dienen sie ihm, wenn er sie braucht.«
»Und er verlässt sich auf ihr Wort?« Veronika war skeptisch. »Ein seltsamer Rudelführer ist das. Er sollte sich lieber um seine eigenen Leute kümmern.«
Miklos schüttelte den Kopf. »Wenn du einmal einen Ältesten getroffen hast, wirst du nicht mehr so reden. Sie sind mächtig, du wirst es schon merken.« Er senkte seine Stimme. »Bei Viktor hatte ich das Gefühl, als könne er all meine Gedanken lesen. Er hört dich, selbst wenn du Meilen entfernt bist. Als habe er Zauberkräfte.«
»Unsinn«, sagte Veronika, doch unwillkürlich flüsterte auch sie. »Und was ist mit den anderen Ältesten?«
Miklos’ Augen begannen zu glänzen. »Den Feldherrn müsstest du sehen«, rief er. »Pavel von Breunen. Sein Rudel besteht nur aus den besten Kämpfern. Er hat an der Seite der Böhmen gegen den deutschen Kaiser gefochten. Wir haben ihn einmal in Prag aufgesucht. Dort dient er heute dem böhmischen Regenten Podiebrad.«
Veronika überlegte. »Podiebrad weiß also auch über uns Bescheid?«
»Natürlich.« Miklos grinste über ihre Unwissenheit.
Ärger schoss in ihr hoch wie eine Stichflamme. »Du hast leicht reden!« Böse funkelte sie ihn an. »Gábor vertraut dir alles an, während ich von den Brosamen leben muss.«
»Du bist eben kein Mitglied des Bundes«, gab er zu bedenken. Ihr Ärger schien ihn nicht zu beeindrucken.
»Und als Frau werde ich das wohl auch nie«, fauchte sie. »Gábor hat mir noch nicht einmal gesagt, ob er überhaupt irgendwelche Pläne für mich hat.« Frustriert ballte sie die Fäuste.
»Vielleicht weiß er das
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