Mondkuss
standzuhalten. Einerseits war sie froh, dass er ihr damit zuvorgekommen war, andererseits spürte sie mit einem Mal – statt der erwarteten Erleichterung – ein unerklärlich tiefes Bedauern in sich aufsteigen. Bedauern darüber, dass diese kurzweiligen und amüsanten Stunden nun vorbei sein sollten. Außerdem quälte sie, dass sie ihn womöglich niemals wiedersehen würde. Mensch, Mädel, du solltest froh über diese Tatsache sein. Wieso also sitzt du da wie ein Häufchen Elend? Das Herz pochte ihr bis zum Hals, ihre Hände begannen merklich zu zittern. Wie gut, dass sie nach wie vor ineinander verschlungen in ihrem Schoß lagen. „Darf ich dich anrufen?“ Ihr Herz vollführte trotz ihrer mahnenden Gedanken einen freudigen Satz. Sag nein und lauf fort. Es ist besser, wenn er aus deinem Leben verschwindet. Und das so schnell wie möglich.
„Gern!“ Dieses Wort huschte ihr über die Lippen, ohne dass ihr Verstand Einfluss darauf nehmen konnte. Mit fahrigen Fingern kramte sie in ihrer Handtasche, fand das, was sie suchte und schob ihm schließlich ihre Visitenkarte zu.
Rafael warf ihr einen intensiven Blick zu, nickte und nahm die Visitenkarte an sich. Dann gab er dem Kellner ein Zeichen, und kurze Zeit später verließen sie gemeinsam das Lokal. „Du hörst von mir!“ Er strich ihr eine vorwitzige Haarsträhne aus dem Gesicht. Sein prüfender Blick, der in ihre Augen tauchte, registrierte die dort zu erkennende Unsicherheit. Unsicherheit gepaart mit offensichtlichem Verlangen. Rafael konnte nicht verhehlen, dass ihn dies freute. Er hatte ihre kühle Mauer also ein wenig durchbrechen und sie somit erreichen können. Der erste Schritt war getan, und er nahm sich fest vor, weitere folgen zu lassen. Er wollte diese Frau erobern, ihre Seele berühren und von ihrer Lust kosten. Einer Lust, die geschickt erobert werden wollte … die brach lag hinter einer nur sehr schwer zu durchdringenden Schicht aus Coolness, Unabhängigkeit, Weltgewandtheit, Kontrolle und auch Angst. Rafael wollte sich durch diese Schicht zu ihrem Kern arbeiten. Durch seinen Beruf als Callboy wusste er genau, was Frauen wie Marleen zum Schmelzen brachte. Nur würde er seine Gewandtheit diesmal nicht einsetzen, weil es sein Job war, sondern weil sein Herz zu ihm sprach. Er wollte diese Frau, wollte jede Facette erahnen und schließlich kennenlernen. Mit ihr in einen Liebestaumel stürzen und nie wieder daraus auftauchen. Ein schönes Gefühl. Prickelnd und neu. Für den Bruchteil einer Sekunde legte er seinen Zeigefinger unter ihr Kinn, strich zart ihren Hals entlang … weiter abwärts … und hielt kurz vor dem Ansatz ihrer Brüste inne. Seine Augen, die ihren flüchtenden Blick immer wieder einzufangen vermochten, funkelten, ließen nicht locker und fanden endlich, was sie suchten: Unverhohlenes Verlangen und brennende Neugier – da konnte ihr Gesichtsausdruck noch so unbeteiligt wirken. „Habe ich dir schon einmal gesagt, dass du unwiderstehlich aussiehst, wenn du versuchst, hochmütig in die Welt zu blicken?“ Er lachte leise und Marleen erbebte. „Ich werde deine Schale aus Unnahbarkeit knacken. Werde sie dir wegküssen, weil ich mir nichts sehnlicher wünsche, als zu dir durchzudringen.“ Ihre Knie begannen zu zittern, und sie verspürte den unbändigen Wunsch, sich in seine Arme zu werfen, sich an ihn zu schmiegen. Sein Finger zog eine Wellenlinie hinauf zu ihrem Schlüsselbein und wieder zurück. Dabei strich seine Handfläche kurz und unmerklich über ihre Brust, dass sie nicht wusste, ob sündige Wunschträume ihr einen Streich spielten, oder ob es Wirklichkeit war. Heiß pulsierend jagte das Blut durch ihre Adern, und ihr Mund wurde trocken. Zwischen ihren Schenkeln begann es verräterisch zu kribbeln und mit rasendem Puls nahm sie wahr, wie Lusttropfen sich einen Weg zwischen ihre Schamlippen hindurch bahnten und ihr Höschen benetzten. Sie atmete tief durch, dankte Gott dafür, dass sie nicht puterrot anlief und mahnte sich innerlich zur Ruhe. Erfolglos! Währenddessen schien Rafael in ihr zu lesen wie in einem Buch, schwieg jedoch taktvoll, zwinkerte ihr lediglich zu und flüsterte: „Ich freue mich auf unser Wiedersehen.“ Ein herzlicher Händedruck, ein letzter Blick, und ihre Wege trennten sich. Während Rafael sich auf den Weg zur Bar machte – wo er sein Auto am Vorabend hatte stehen lassen, um Sarah nach Hause zu begleiten – machte sie sich verwirrt und aufgewühlt auf den Weg zu Ruths Galerie, um sich das Bild
Weitere Kostenlose Bücher