Mondkuss
faszinierend zugleich. Es bricht in dein Leben ein, wirft alles bisher Dagewesene über den Haufen und lässt dich die Welt durch eine Brille sehen, die dir fremd ist, nicht bekannt und doch so vertraut. Mir erging es mit Leonard ja nicht anders.“ „Ich weiß. Und wenn ich an Marcel zurückdenke, so war da ja auch von Beginn an das gewisse Etwas. Aber bei Marleen ist es anders. Es handelt sich hier nicht um pure erotische Anziehung, sondern eher um eine Symbiose aus Anziehung und tiefer Sympathie. Das Gefühl, den anderen schon ewig zu kennen … ohne sich zu kennen. Verrückt. Woran liegt das? Hat jeder tief in sich ein Bild, eine Schablone gestanzt, die alle Vorlieben speichert und wenn man jemanden trifft, der diesem Bild entspricht, entsteht dieses bestimmte Gefühl … auf den ersten Blick?“ „Das habe ich mich auch schon oft gefragt. Dieses Gefühl – wie immer man es auch betiteln mag – haut uns einfach um. Mit voller Wucht. Gefühle fahren Achterbahn. Das Denken setzt aus. Eine Art Rausch beginnt. Peng! Und plötzlich ist nichts mehr so, wie es vorher war. Von einem auf den anderen Augenblick. Auf den ersten Blick eben. Ein Phänomen!“ Rafael nickte. „Oh ja. Ein prickelndes Phänomen! Es füllt das Leben mit Magie, fliegt in uns hinein und wischt den alten Staub weg. Statt dessen erstrahlt die Seele in neuem Glanz, fühlt sich beflügelt und irgendwie high.“ Helena lachte auf. „High! Genau, das ist der richtige Ausdruck dafür, wie du heute auf mich wirkst.“ Rafael stimmte in ihr Lachen ein. „Und das ganz ohne Drogen. Ich schwöre!“ „Ha, das kann ja jeder sagen. Ich bin jedenfalls gespannt, wie es bei dir weiter geht.“ „Du wirst es als Erste erfahren. Das alles ist zwar prickelnd und schön, macht mir aber gleichzeitig Angst. Ich werde alles ganz langsam angehen, vorsichtig sein.“ Das Schrillen der Haustürklingel unterbrach die beiden. „Das sind sicher Kathrin und Sabina. Wir haben heute Mädelabend.“ Rafael erhob sich. „Na, dann will ich nicht länger stören. Zumal ich ja noch einen Termin habe.“ „Böser Junge! Was lässt du eine sehnsüchtige Kundin auch so lange schmoren?“ Sie hakte sich bei Rafael ein und begleitete ihn zur Tür.
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„Da bist du ja … endlich.“ Eine attraktive Frau, nur mit einem Negligé bekleidet, stand im Rahmen der weiß lackierten Tür und lächelte ihm verführerisch entgegen. „Ich habe schon sehnsüchtig auf dich gewartet. Du solltest dich öfter verspäten, denn meine Lust hat sich innerhalb der letzten Stunden um ein Vielfaches gesteigert.“ Sie warf den Kopf in den Nacken, schüttelte ihr volles blondes Haar zurück und warf ihm einen lasziven Blick zu.
„So?!“
Er näherte sich ihr bis auf ein paar Zentimeter, ließ Zeige- und Mittelfinger sanft über ihre hohen Wangenknochen gleiten. Sie besaß ein ausdrucksstarkes Gesicht, leider aber keinen ausdrucksstarken Charakter, denn sie war von Gier zerfressen. Musste haben, was sie gerade sah und schien keine Skrupel zu kennen, sich einen Callboy zu buchen, während ihr Mann auf Dienstreise war. Anita Steiner war dreiunddreißig, ihr Mann – ein erfolgreicher Chirurg – fünfzehn Jahre älter, und sie genoss den Status „reiche Arztfrau.“ Liebe hatte in ihrem Repertoire nichts zu suchen. Ihr ging es nur um Macht, Geld und – Lust. Fürs Letzte buchte sie sich Rafael … in regelmäßigen Abständen.
„Oh, ja.“ Sie lächelte einladend, zupfte an ihrem Dekolleté und schaute ihn aus ihren blauen Augen mit den perfekt getuschten Wimpern auffordernd an. Dann zog sie ihn zu sich in den weitläufigen Eingangsbereich und schloss die Tür. Zwischen ihren hervorquellenden Brüsten steckten ein paar Geldscheine, die Rafael ihr – wie immer, wenn sie ihn zu sich bestellte – mit den Lippen entnehmen musste, bevor das Liebesspiel begann. Die Vorfreude auf das, was nun beginnen sollte, stand deutlich in ihren Augen geschrieben. Jede einzelne Pore strömte wilde Gier aus, die prallen Brüste hoben und senkten sich bei jedem Atemzug, und ihre rosa Zungenspitze glitt spielerisch über die rot geschminkten Lippen, als sie die Hand nach Rafael ausstreckte, um ihn zu berühren, zu spüren und näher zu sich zu ziehen. Er wusste, was zu tun war – das Spiel begann. „Lass das“, zischte er sie an. „Du hältst gefälligst still, verstanden?“ Sie nickte demütig, doch in ihren Augen blitzte es lustvoll auf. „Und nun dreh dich um. Mit dem Gesicht zur Wand.“ Ihre Pupillen
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