Mondlaeufer
ist Halian mit Kiele im Bunde und hat mich absichtlich von dir ferngehalten. Ich kann niemandem trauen, und das macht mir Angst.« Er hielt kopfschüttelnd inne. »Wir können nicht mehr tun, als Rohan und Sioned davon zu unterrichten. Vielleicht können sie Kiele stellen und ihr irgendwie einen Schreck einjagen.«
»Es würde dich nur in Gefahr bringen, wenn sie wüsste, dass du etwas gesehen hast, was du nicht sehen solltest. Ich kann dich nicht aufs Spiel setzen, Riyan. Ich werde dich nicht aufs Spiel setzen.« Während er seinem Sohn direkt in die Augen sah, sagte er: »Du bist alles, was ich noch von deiner Mutter habe.«
Selten hatte Riyan Ostvel seine Mutter auch nur erwähnen hören, an die er sich kaum erinnern konnte. Er schluckte den Kloß in seinem Hals hinunter. Neben dem Stuhl seines Vaters stehend betrachtete er dessen beunruhigtes Gesicht und die wolkengrauen Augen. »Was meinst du, was Mutter getan hätte?«
Ostvel zuckte die Achseln, denn der Gedanke war ihm unangenehm. »Wenn du wüsstest, wie oft ich mir diese Frage in den Jahren seit ihrem Tod schon gestellt habe … Sie hätte wahrscheinlich dasselbe gesagt wie du.« Er rutschte auf seinem Stuhl herum und fuhr fort: »Wir, Maarken und ich, haben Pol heute wieder ein bisschen über den Markt begleitet und mussten nur ein wenig die Ohren aufsperren, um die neusten Gerüchte zu hören. Masul ist … ist er nicht … er kann nicht sein … er sollte sein … wie lange wird Rohan ihn leben lassen . . .« Ostvel hieb mit der Faust auf die Armlehne.
»Ich glaube, wie lang Masul leben wird, hängt ganz allein von Masul selbst ab«, murmelte Riyan.
»Versuch mal, andere davon zu überzeugen. Sie kennen unseren Hoheprinzen nicht so wie du und ich. Er würde sich den eigenen Arm abhacken, ehe er heimlich oder unehrenhaft gegen diesen Emporkömmling vorgehen würde.«
»Und uns erklären, dass er nur praktisch denkt, nicht irgendwie besonders edel.«
»Sag ihm, er sei edel, und er wird dir ins Gesicht lachen. Es hat etwas mit Freiheit zu tun.«
»Wessen?«, fragte der junge Mann verblüfft.
»Seine. Keine Sorge«, fügte Ostvel mitfühlend hinzu. »Ich verstehe es auch nicht richtig. Er sagt, wenn du handelst, dann fängst du dich in dieser Handlung selbst. Aber wenn du abwartest, wie die Dinge sich entwickeln, hältst du dir alle Möglichkeiten offen. Du kannst wählen, was du tun willst – oder auch was du nicht tun willst.«
»Du hast recht. Ich verstehe kein Wort.«
»Ich glaube, es hat bei seinem ersten Rialla angefangen«, sagte Ostvel nachdenklich. »Er hat einiges getan, das einige Leute dazu zwang, ihrerseits bestimmte Dinge zu tun. Aber auch er ging in diese Falle, und das war ihm nicht besonders recht, das kann ich dir sagen. Du musst bei ihm vor allem verstehen, dass er uns nie benutzen wird. Er kennt uns ganz genau, unsere Stärken und Schwächen, und baut seine eigenen Pläne darauf auf. Aber er wird uns nie in eine Falle locken, dass wir bestimmte Dinge einfach tun müssen. Das ist ihm selbst passiert, und er hat es gehasst. Für Rohan wirst du nie etwas tun, das du nicht auch aus eigenem Willen getan hättest. Er wird dich nicht mit aller Macht dazu verleiten, etwas zu tun, was er in erster Linie will. Aber weil er weiß, wer und was du bist, machst du es auch so.«
»Er ist wirklich der Azhrei«, sagte Riyan etwas verblüfft. »Ein Drache wartet ab, bis er sieht, wohin die Herde rennt, bevor er die Jagd aufnimmt.«
»Ich schlage vor, du tust dasselbe«, warnte sein Vater. »Du warst nicht so lange fort, dass ich jetzt nicht wüsste, was du denkst. Du hast die Augen deiner Mutter, weißt du. Sie konnte auch nie viel vor mir verbergen. Zieh es nicht einmal in Betracht, Riyan. Rohan und Pol müssen sich diesem Mann öffentlich stellen und ihn öffentlich widerlegen, sonst wird Pols Anspruch nie sicher sein.«
»Schade«, sagte Riyan kurz.
»Was du auch denkst, ich verbiete es«, warnte Ostvel.
»Ich habe überhaupt nichts gedacht, Vater.«
»Gut. Sieh zu, dass du auch weiterhin nicht daran denkst.« Die Sturmwolken in Ostvels Augen lösten sich ein wenig auf. »Setz dich, und erzähl mir etwas anderes. Ich habe Intrigen und Politik so satt. Wie war deine Rückkehr in Cluthas Dienste? Hat er dich gut behandelt?«
Riyan gab Geschichten aus seiner Zeit als Knappe zum Besten und war ähnlich erleichtert wie sein Vater, über nichts Gewichtigeres reden zu müssen als darüber, wie man am besten ein Pferd zureitet oder auf was
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