Mondlaeufer
mehr Höhlen zur Verfügung hätten, würde ihre Vermehrung gesichert sein.
Pol hatte den Blickwechsel zwischen seinen Eltern bemerkt und fragte: »Weißt du vielleicht, wie man sie zurückführen könnte, Vater?«
»Ich weiß auch nicht, was ich im Moment tun könnte«, lächelte er. »Feylin, wie viele Jungdrachen wird es dieses Jahr wohl geben?«
»Ungefähr hundertfünfzig, wenn wir Glück haben. Übrigens stimmt es nicht, Sioned, dass man den Drachen die Höhlen erst zeigen muss. Vor ein paar Jahren sind einige eingestürzt, und die Drachen haben sich in der Nähe von Skybowl andere gesucht. Deshalb glaube ich, dass sie Rivenrock kennen. Sie wollen bloß nicht dorthin.«
»Ich wünschte, sie würden sich nicht gegenseitig umbringen«, meinte Sionell bedrückt. »Es sieht immer schrecklich aus, wenn ein Drache stirbt.«
»Dadurch überleben nur die stärksten«, erklärte Pol. »Wenn es genug Höhlen für alle Drachenweibchen gäbe, würden auch die schwachen überleben können.«
»Das ist wahr«, sagte Rohan, »aber Lady Feylin hat trotzdem recht. Zuallererst muss die Gesamtzahl so groß sein, dass die Drachen außer Gefahr sind. Wenn sie dann genug sind, mag die Regel, dass nur die stärksten überleben und sich fortpflanzen, ohne Einschränkung gelten.«
»Wie bei Prinzen«, meinte Pol. »Sie versuchen alle einander umzubringen und kämpfen um das beste Land. Bis du ihnen gezeigt hast, dass du der Stärkste bist«, fügte er stolz hinzu, und Rohan runzelte die Stirn. »Weil es das Gesetz ist, das die größte Stärke verleiht, nicht wahr, Vater? Die Stärke einer Armee ist ungewiss, aber das Gesetz bleibt das Gesetz.« Er warf einen verstohlenen Blick auf Sionell, um zu sehen, ob seine prinzliche Weisheit sie auch beeindruckte; und Sioned verbarg erneut ein Lächeln, als das kleine Mädchen ernsthaft nickte.
Auch Feylin bemerkte die kleine Szene, lachte jedoch unverhohlen, als sie Sioneds Blick begegnete. »Meine Domäne sind Drachen, nicht Prinzenstrategien«, verkündete sie und sortierte ihre Pergamente. »Ich lasse Euch das zum Durchlesen hier, Herr. Sionell, sollen wir jetzt nicht lieber deinen Vater, deinen Bruder und das neue Pony suchen, das du Lord Chaynal zeigen wolltest?«
»Ja, Mama. Pol, komm doch bitte mit und sieh dir mein Pony an!«
Einen Augenblick dachte Sioned, Pol würde zustimmen. Doch dann schüttelte er den Kopf. »Ich möchte bei meinen Eltern bleiben und darüber sprechen, was Lady Feylin berichtet hat. Später vielleicht.«
Sionell sprang verärgert auf. »Später sind wir vielleicht ausgeritten, und dann hast du’s verpasst!« Sie dachte gerade noch daran, sich vor Sioned und Rohan zu verbeugen, ehe sie zur Tür hinausrauschte.
Die Erwachsenen bezähmten heldenhaft ihre Heiterkeit, als Pol zur Tür schaute, durch die sie verschwunden war. Feylin konnte sich beherrschen, bis sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, doch Sioned kam es vor, als höre sie gleich darauf ein unbezähmbares Kichern – und wünschte, sie könnte sich ebenso gehen lassen.
Pol murmelte etwas in sich hinein. Rohan sah ihn an, ohne mit der Wimper zu zucken. »Was sagtest du eben?«
»Nichts. Was machen wir mit den Drachen, Vater?«
»Zuallererst reisen wir dieses Jahr alle hoch nach Skybowl.«
»Alle?«
»Ja, natürlich«, erwiderte Rohan, die Unschuld selbst, während Sioned ihren Kampf gegen das Lachen beinahe verlor. »Maleis wird selbstverständlich hierbleiben und sich um Stronghold kümmern, während wir fort sind. Aber alle anderen kommen mit.«
Sioned hatte nun doch Mitleid mit dem Jungen. »Feylin kommt natürlich mit, aber Sionell und Jahnavi werden wohl bei ihrem Vater bleiben. Es ist ein sehr weiter Ritt, selbst wenn man ein neues Pony hat.«
Pol nickte und versuchte vergeblich, seine Erleichterung zu verbergen. »Es ist wirklich schade, dass sie die Drachen nicht sehen können«, sagte er. Jetzt, wo er wusste, dass die kleine Klette nicht mitkommen würde, konnte er großzügig sein.
Rohan sah nachdenklich vor sich hin. »Ich glaube, ich muss deine Erziehung allmählich erweitern, Pol. Ich habe dich gelehrt zu reiten, mit dem Messer zu kämpfen und mit einem Schwert umzugehen. Lleyn hat gesagt, dass du in allen drei Disziplinen gute Fortschritte machst. Aber jetzt werde ich dir etwas anderes beibringen, was dir sehr nützlich sein wird.« Plötzlich grinste er breit. »Ich werde dir zeigen, wie man eine Frau im Schach schlägt.«
»Mutig, mutig, Herr Drachenprinz«,
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