Mondlaeufer
wieder in Sicherheit, als es geschah, deshalb können sie nichts darüber sagen. Doch Maarken kann es.«
Rohan legte die Hände flach auf den Tisch. Wie sie trug er nur einen Ring, mit dem Topas seines Vaters, mehr nicht. Der Edelstein war vor ein paar Jahren neu gefasst und mit einem Kreis kleiner Smaragde, der Augenfarbe seiner Frau, umgeben worden. Seine Hände waren schlank und kraftvoll, die langen Finger wiesen blasse Narben auf; es waren Hände, die das wildeste Pferd mit Leichtigkeit bändigten, die ihre Haut sanft wie der leiseste Windhauch liebkosten und ein Schwert mit tödlicher Präzision führen konnten. Es waren die Hände eines Ritters und Prinzen, aber auch die eines Dichters. Sioned konnte sich nicht erinnern, dass sie sich je nicht nach der Berührung dieser Hände gesehnt hatte.
Eine ganze Weile später erst sprach er wieder und ballte dabei die Hände zu Fäusten, sodass die Knöchel trotz der sonnengebräunten Haut weiß wurden. »Könntest du das noch einmal tun? Einen Drachen berühren?«
Überrascht sagte sie das Erste, was ihr in den Sinn kam: »Wozu?«
»Ich weiß es nicht. Kannst du es denn?«
Sie dachte lange nach und schüttelte dann den Kopf. »Woher soll ich wissen, wonach ich suchen soll? Niemand hat sich je die Farben eines Drachen gemerkt. Und sonst teilt derjenige, dem die Farben zu eigen sind, ihre Form und ihren Glanz den anderen mit.«
»Ich weiß noch, wie Andrade es mir erklärt hat, als ich klein war«, überlegte er. »Menschen leuchten wie bunte Glasfenster, und jedes ist einzigartig. Die Farben können berührt und mit Licht verwoben werden, wie wenn die Sonne durch ein Fenster scheint und die Luft mit Farben erfüllt. Sioned, wenn auch Drachen solche Farben haben, wenn man ihnen beibringen könnte, sie zu verstehen, wenn wir nun, was weiß ich, irgendwie mit ihnen sprechen oder durch ihre Augen sehen könnten! Sie kommen bald zur Paarung in die Wüste zurück.«
»Ich glaube nicht, dass es gefährlich wäre – nur aufregend.« Sie lächelte leicht: »Du hast sie schon immer sehr geliebt. Ich werde versuchen, einen deiner Drachen für dich zu berühren.«
Er zuckte die Achseln. »Viele sehen die Drachen nicht so wie ich.«
Sioned dachte kurz nach, und ihre Brauen zogen sich zusammen. »Du würdest sie nie missbrauchen, aber andere vielleicht schon. Drachen in der Schlacht – wenn es eine Möglichkeit gibt, sie einzusetzen, dann wird es bestimmt jemand tun. O Göttin, warum muss alles auf Töten hinauslaufen?«
Ein Lächeln umspielte seine Lippen, als er ihr in die Augen sah und der Prinz wieder zu ihrem Rohan wurde. »Mein Vater wollte, dass ich einfach eine Frau nehme wie jeder andere Prinz auch. Er wusste nicht, dass Andrade mir eine Prinzessin schicken würde.«
»Wenn ich eine bin, dann hast du mich dazu gemacht, Liebster. Ich werde versuchen, für dich einen Drachen zu berühren. Aber erwarte nicht zu viel.«
»Ich erwarte alles von dir – und ich bin noch nie enttäuscht worden.« Er sah aus dem Fenster, um abzuschätzen, wie spät es war. »Feylin wollte heute Morgen mit mir auch über die Drachen reden. Hast du den Arm voll Pergamente gesehen, mit dem sie angerückt ist? So viele Informationen und Zahlen, dass sie niemand außer ihr verstehen kann.«
»Iss erst mal etwas«, schlug Sioned vor und wies auf sein Frühstück, das unberührt dastand. »Du weißt, wenn ihr beide bei den Drachen seid, vergesst ihr alles – sogar euren Hunger.«
»Ich dachte, du bist derselben Meinung wie Tobin: dass ich alt und fett werde.«
Sie lachte und warf einen Apfel nach ihm. »Jeder Mann im besten Alter sollte aussehen wie du. Mit einem Bauch, der so flach ist wie der von Maarken. Sei still und iss.«
Pol und Feylin warteten oben im Empfangszimmer. Feylins Tochter Sionell war bei ihnen. Die Herrin von Remagev lächelte zum Gruß und sagte: »Die anderen spielen draußen, auch Walvis und Chay; sie nennen es ›Die Pferde inspizieren‹.«
»Ich hatte gedacht, ihr seid auch draußen«, sagte Rohan zu den Kindern und fuhr Sionell durch ihre rotbraunen Locken.
Pol antwortete: »Lady Feylin sagt, dass ihr über Drachen reden wollt, Vater. Darf ich hierbleiben und zuhören?«
»Natürlich darfst du. Und du, Sionell?«
Das elfjährige Mädchen, das nach Sioned genannt worden war, war eine rundliche, rosige Miniaturausgabe seiner Mutter: mit dem gleichen dunkelroten Haar und dem gleichen dreieckigen Gesicht. Nur die überraschend blauen Augen mit den dichten
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