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Mondlaeufer

Mondlaeufer

Titel: Mondlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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höchst verärgert und schien ziemliche Schmerzen zu haben. Andrade ging hastig zu ihr hinüber und fragte: »Was ist passiert? Kommt, setzt Euch.«
    »Danke, Herrin. Was passiert ist? Das Dümmste auf der Welt.« Sie ließ sich auf einen Stuhl nieder und schlug wütend mit der Hand auf die Hüfte. »Ich bin über meinen eigenen Schatten gestolpert, das ist passiert. Ihr kennt die schiefe Stufe in der Bücherei, auf die jeder achtgibt? Nun, ich habe achtgegeben, und dabei bin ich gestolpert und gefallen. Ich fürchte, Ihr werdet heute Nacht eine andere zu Sejast schicken müssen.«
    »Ich hoffe, Ihr habt Euch schon behandeln lassen.«
    »Natürlich. Nichts gebrochen, nur ein Bluterguss. Aber es tut verdammt weh.« Sie strich sich das schwarze Haar aus dem Gesicht. »Selbst wenn die Göttin mir heute Nacht ihren Zauber gewährt – nicht einmal sie könnte wohl das hier verbergen.« Sie hob ihren Rock, um einen großen, blauen Fleck auf ihrem dunklen Bein zu zeigen. »Nicht übel, was?«
    »Allerdings. Ihr könnt froh sein, dass nichts gebrochen ist. Hm. Wen soll ich denn nun an Eurer Stelle schicken?«
    Morwenna brachte ihren Rock wieder in Ordnung und lehnte sich zurück. »Glaubt mir, ich bedaure, dass nicht ich es bin. Es wird nicht leicht mit ihm sein, und ich hatte mich darauf gefreut.« Sie grinste, als Andrade das Gesicht verzog. Selbst für eine heißblütige Fironesin war Morwennas Leidenschaft nahezu skandalös. »Jobyna ist zu zahm, Vessie ist nicht kundig genug für jemanden, der so aufmerksam ist wie Sejast. Ich würde Fenice schicken, aber ihr Zyklus ist ein Problem. Eridin könnte gehen, und Hollis könnte es leicht schaffen, wenn sie sich nicht gerade zu sehr nach Maarken sehnt.«
    »Hmm.« Andrade setzte sich hin und klopfte mit den Fingern auf die Armlehnen ihres Sessels. »Habt Ihr Hollis und Sejast zusammen gesehen?«
    »Sie hatten nicht mehr Kontakt als andere Faradh’im mit den Neuankömmlingen. Sie haben sicher ein paar Worte gewechselt. Aber die Göttin hält es schon geheim.«
    »Die Göttin«, erwiderte Andrade trocken, »vertraut darauf, dass wir unseren Verstand gebrauchen. Ich traue Leuten nicht, die sich gut kennen …«
    »Nun hört aber auf! Von den fünf, die bei mir infrage kamen, war ich mit dreien hier an der Schule aufgewachsen, der vierte war mein Lehrer, und mit dem fünften hatte ich in jenem Frühjahr den ganzen Kräutergarten bepflanzt! Und nicht einmal ich habe je gewusst, wer von ihnen es war.«
    »Also gut«, lenkte Andrade ein. »Dann wird es wohl Hollis sein. Ist es bei ihr die richtige Zeit?«
    »Bei ihr besteht keine Gefahr. Aber ich gebe zu, ich bin neugierig, was dieser Bursche wohl für Kinder zeugen mag. Wenn nicht schon ein oder zwei davon irgendwo herumspringen.« Sie kicherte.
    »Das ist eine Wette, die nicht einmal Sioned annehmen würde«, stimmte Andrade zu. »Geht und macht einen kalten Umschlag um Euer Bein. Ich werde Euch das Abendessen nach oben bringen lassen.«
    Morwenna seufzte. »Nicht gerade der Abend, den ich vorhatte. Aber egal. Soll ich es Hollis sagen?«
    »Das mache ich selbst. Seht Ihr zu, dass Ihr diesen enormen Bluterguss wegbekommt.« Andrade lächelte. »Und ich verspreche, dass ich die Stufe reparieren lasse.«
    »Das wäre immerhin etwas. Das Humpeln wird wohl nicht so schnell weggehen.« Sie schnitt eine Grimasse, als sie aufstand und hinaushumpelte.
    Andrades Finger trommelten weiter in ständig neuem Takt. Wenn Hollis wirklich nach Maarken jammerte – nun, umso schlimmer für sie. Noch war sie nicht seine Frau. Sie war jedoch Lichtläuferin und würde das immer bleiben. Seit ihrem unerhörten Verstoß, in seiner Mannesnacht zu Maarken zu gehen, hatte sie den Zauber zwei- oder dreimal bewirkt, und Andrade war sich ziemlich sicher, dass Maarken darüber Bescheid wusste. Doch der Körper einer Frau gehörte ihr selbst, auch wenn ihr Herz vergeben war. Hollis war noch nicht einmal offiziell Maarkens Erwählte. Das Mädchen kannte schließlich seine Pflichten als Lichtläuferin.
    Während sie ihre Haare flocht, um zu ihr zu gehen, wurde sich Andrade bewusst, dass sie ihre Wahl nicht nur deshalb getroffen hatte, weil Hollis ihren Aufgaben gewachsen war. Vielmehr war es möglicherweise die letzte Gelegenheit, sie an ihre Verpflichtungen gegenüber der Schule der Göttin zu erinnern. Andrade würde eine zweite Lichtläuferin mit einem Lord verheiraten – aber sie würde diesmal nicht zulassen, dass eine weitere Faradhi alle Ringe bis auf

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