Mondlaeufer
in der Tat. Aber es gibt Gründe, die wichtiger sind, Pol. In den vier Jahren, seit wir seine Mine beliefern, war er reich genug, wertvolle Arbeiten zu fördern – Holzschnitzerei, Viehzucht, Pergamentschöpfen, neue Obstgärten. Er hatte vorher nie Geld übrig, weißt du, und wenn ein Gutteil davon in Bereiche fließt, die nur dem Vergnügen dienen – was soll’s? Dann sind andere Handwerker satt und glücklich. Aber wäre es jemand anders als Volog, so würde ich das nicht tun. Er ist kein gieriger Mensch oder jemand, der Reichtum als Mittel zum Unruhestiften ansieht. Er will sein Reich weiterbringen, und unser Gold hilft ihm dabei.«
Rohan griff sich erneut eine Hand voll Sand, und Pol sah, wie er zu Boden rieselte. Der goldene Staub, der seines Vaters Träume hatte wahr werden lassen, faszinierte ihn.
»Es ist das Pergament, das mich besonders interessiert. Und dann die Herden, die er züchtet. Dieses Jahr werde ich ihm vorschlagen, ein Skriptorium einzurichten. Kannst du dir das vorstellen, Pol? Bücher, die nicht nur Prinzen, sondern alle Athr’im erwerben können – vielleicht sogar fast jeder. Wenn ich Glück habe, wird aus dem Skriptorium eine Schule hervorgehen. Wir werden Leute haben, die in Kunst und Wissenschaft ausgebildet sind, so wie die Faradh’im in der Schule der Göttin ausgebildet werden. Diese Menschen können das Wissen in alle Prinzenreiche tragen und andere unterrichten. Menschen, die niemals die Chance hätten, auch nur lesen zu lernen, können alles lernen, was möglich ist.«
Das kleine Feuer flackerte wieder leicht auf, als Pol von der Begeisterung seines Vaters angesteckt wurde. »All die Sagen, die Geschichten, die Musik, einfach alles kann niedergeschrieben und weitergegeben werden …«
Rohan lachte wieder. »Beim Herrn der Stürme, du bist wirklich mein Sohn! Jeder andere in deinem Alter würde stöhnen, wenn er hört, dass er noch mehr lernen soll.«
Obwohl Pol etwas rot wurde, lachte er mit. »Solange andere die Arbeit machen, bin ich dabei!«
»Die härteste Arbeit ist wirklich, dass wir als Prinzen Verantwortung tragen müssen. Etwas aus Büchern zu lernen ist ziemlich einfach, weißt du. Aber es dann auch anzuwenden …« Er zuckte mit den Schultern und zog eine ironische Grimasse. »Das habe ich bei meinem ersten Rialla gelernt. Komm, setz dich, Pol. Es gibt noch mehr zu erzählen:«
»Wirklich?«, fragte er verblüfft.
»O ja. Viel mehr.«
Der Junge hockte sich neben seinen Vater in den Sand, wobei er immer noch das Stück Schale in der Hand hielt. »Würde Prinz Volog das mit dem Skriptorium, dem Gold und alldem denn nicht verstehen?«
»Er ist im Grunde ein feiner Kerl. Aber wie alle anderen auch würde er nur das Gold sehen. Außerdem kann selbst ein Hoheprinz nicht einfach etwas befehlen, wenn es so sehr etwas mit einem anderen Prinzenreich zu tun hat. Ich kann es nur nahelegen, so tun, als sei es Vologs Idee gewesen, nicht meine.«
»Und ihn dann für seine Klugheit loben und dabei die Ernte einfahren«, nickte Pol weise.
»Ich hoffe bloß, dass keiner von ihnen je darauf kommt, was es mit dem Gold auf sich hat. Wenn das geschieht …« Er schüttelte den Kopf. Der Feuerschein beleuchtete sein helles Haar. Pol betrachtete das Gesicht seines Vaters, das ihm so vertraut war wie sein eigenes. Er hoffte, es würde wirklich irgendwann sein eigenes sein, denn es war ein stolzes Gesicht, stark und ohne Angst vor dem Einsatz, den seine Träume forderten.
»Im Jahr der Seuche ging es richtig los. Deine Mutter und ich, wir hatten das Gold in Rivenrock schon früher entdeckt, aber ich versuchte noch, einen Weg zu finden, wie ich es im Geheimen herausschaffen könnte. Dann kam die Seuche. So viele sind gestorben, Pol – deine Großmutter, Jahni, Ostvels Frau Camigwen …« Er blickte hinunter in seine mittlerweile leeren Hände. »Es gab ein Kraut, das gegen die Seuche half: Dranath . Es wuchs nur im Veresch, sodass der Hoheprinz Roelstra die Verteilung steuern konnte. Auch die Drachen starben – in Scharen. Ich war hier in Skybowl, und Lord Farid und ich kamen auf die Idee, Dranath auf den Bittersüßpflanzen an den Klippen auszulegen. Dadurch mussten die Drachen beim Fressen unweigerlich auch die Medizin hinunterschlucken.«
Rohans Gesichtsmuskeln strafften sich, wodurch die feinen Linien um seinen Mund deutlicher hervortraten. »Aber zuerst brauchten wir Dranath -Unmengen davon. Roelstra verkaufte es über seine Händler zu astronomischen Preisen. Es gab
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