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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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gleiche Ziel, das müsstest du doch wissen, Layla. Was meinst du, warum der erste Muhammad diese Sure hier einmei ßeln ließ?«

    »Also ist es wahr. Dein Fluch. Aber«, zu ihrer Beschämung geriet sie ins Stottern, »aber das ist doch Hunderte von Jahren her - und die Banu Nasr konnten nichts dafür! Keiner von den Menschen, die heute in Granada leben, konnte etwas dafür!«
    »Ein Fluch ist ein Fluch«, erwiderte er ungerührt.
    »Aber sie sind unschuldig!«
    »Ich glaube, du verwechselst mich mit einem Menschen. Das bin ich nicht länger.«
    Wiedergänger, dachte Layla, Wiedergänger. Und wehrte sich dagegen. »Das stimmt nicht. Du kannst deine Meinung ändern.
    Du kannst Gutes tun - in Malaga hast du Leben gerettet. Du…«
    Sie wollte hinzufügen, dass er auch sie gerettet habe, doch sie brachte es nicht über die Lippen.
    Jusuf wurde zu einem Schatten, verschmolz mit der Dämmerung - noch nie war er so langsam verschwunden -, und sie versuchte noch immer, ihn zwischen den Säulen auszumachen, als er von hinten beide Arme um sie legte.
    »Und selbst wenn noch etwas von einem Menschen in mir ist - bist du nicht auch ein Mensch, Layla, und wolltest eben Hilfe, um dich an Alscha zu rächen? Kannst du deine Meinung über Alscha ändern?«
    Der Protest in ihr erstarb, bevor sie ihn aussprechen konnte. Es war alles so grauenvoll folgerichtig. Er hielt sie sehr fest, und sie rührte sich nicht, gebannt von Entsetzen, dem Wunsch wegzulaufen, und dem widersprüchlichen Wunsch, sich umzudrehen und noch einmal mit dieser unmenschlichen Kälte zu verschmelzen.
    Seine Stimme wurde sehr leise. »Und nun sind wir hier, in der Alhambra, deren Grundstein ich gelegt habe, wo sie mich fanden, in der Alhambra, wo sie deinen Bruder umgebracht haben. Du hast so lange unter den Christen gelebt, Lucia, weißt du nicht, was für ein Tag heute ist?«

    Sie wusste es nicht, sie wusste überhaupt nichts mehr; seine leise Stimme hatte etwas Beschwörendes, und sie bog ihren Kopf zurück, an seine Schulter, um ihn besser zu verstehen. Er sprach noch leiser; sie spürte seinen Mund an ihrem Hals und hörte ihn mehr mit ihrem Blut als mit ihren Sinnen: »Heute, sagen sie, ist der Tag, an dem der Teufel sich seine Braut sucht.«
    Jetzt, dachte sie, jetzt tötet er mich, und es war ihr gleichgültig, sie war bereit. Aber von einem Moment auf den nächsten war er verschwunden, und Layla war allein mit den Schatten in der Alhambra, die immer länger wurden.

    Don Pedro Gonzales de Mendoza wünschte sich, der König und die Königin hätten sich in diesem Monat für eine andere Stadt als Sevilla entschieden. Er mochte Sevilla nicht. Die Stadt am Guadalquivir hatte ihren unbestreitbaren Zauber, doch für den Kardinal barg sie unangenehme Erinnerungen. Sevilla war sein Erzbistum gewesen, als der Papst den Monarchen die heilige Inquisition bewilligte. Da es in Sevilla besonders viele conversos gab, hatte Mendoza Böses geahnt und gemeinsam mit Fray Hernando de Talavera, der deswegen nach Sevilla gekommen war, versucht, die Inquisition als überflüssig hinzustellen. Gemeinsam hatten sie einen Katechismus für conversos verfasst und versucht, sie durch Predigten und Unterweisungen auf die kommenden Untersuchungen vorzubereiten.
    Dann war die Inquisition in Sevilla eingezogen. Für den Kardinal war die Lage besonders demütigend, denn in jedem anderen christlichen Land wären die Inquisitoren seiner Autorität unterworfen gewesen, da er der oberste Kirchenfürst war. Doch durch die Sonderregelung, die der Heilige Vater für die spanischen Länder getroffen hatte, war die Inquisition zu einem weltlichen Instrument geworden, das nur den Königen unterstand.
    Und in Sevilla brannten die Scheiterhaufen. Mendoza war nicht zimperlich, er hatte selbst im Krieg mehr als einmal Blut vergossen und war davon überzeugt, dass der Kreuzzug gegen die Ungläubigen gerechtfertigt war, doch die conversos waren eine andere Angelegenheit. Diejenigen, die nicht verbrannt wurden, verließen zu Hunderten die Stadt, und als Ergebnis verlor Sevilla seine Haupteinkünfte, der Handel war ruiniert, und aus dem blühenden Erzbistum war ein Ort für Gespenster geworden.
    Nein, Mendoza zog es bei weitem vor, in die Schlacht zu ziehen, als Sevilla zu besuchen. Doch der Kardinal war von seinen Herrschern gebeten worden, an der geheimen Beratung teilzunehmen, die heute hier stattfand.
    Außer ihm befanden sich noch der Marquis von Cadiz und Luis de Santangel, der Sekretär König

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