Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
heimsuchten. Sie füllte sich immer mehr mit Flüchtlingen, während christliche Truppen das Land verwüsteten. Zuerst warteten alle auf den großen Angriff, doch mit der Zeit wurde deutlich, dass er nicht eintreten würde. Fernandos Gegner in diesem Jahr waren Korn und Obst, obwohl er mit seinem Heer einmal nahe genug herankam, um seinen einzigen Sohn, den dreizehnjährigen Infanten Juan, unter den Stadtmauern zum Ritter zu schlagen.
    Selbstverständlich beschränkten sich die Einwohner von Granada nicht auf das Warten. Nach dem Vorbild von al Zaghal führte Musa ben Abi Ghassan eine Reihe von kleineren Attacken durch, doch ohne die Verstärkung aus Fez wagte niemand eine offene Schlacht.
    Im Hochsommer war es klar, dass in diesem Jahr keine Hilfe aus Fez kommen würde. Über die Gründe redeten sich die Leute die Köpfe heiß - mangelndes Vertrauen der dortigen Herrscher in Muhammad, Geldmangel oder vielleicht, wie einige böse Zungen vorschlugen, Bestechung durch die Christen -, aber letztendlich war das Warum gleichgültig. Was zählte, war nur, dass sie nicht kamen. Ebenso offensichtlich war, dass die fruchtbarste Gegend des ganzen Landes von den Christen zu Karst und Wüste gemacht worden war. Muhammad entschied, dass die einzige Lösung in einem großen Gegenangriff lag. Er selbst wollte im Osten versuchen, verlorenes Gebiet zurückzuerobern, während im Westen Guadix und Almeria gegen ihre Besatzer rebellieren sollten. Da die christliche Armee sich - rechtzeitig zur Ernte - zurückgezogen hatte, schien der Moment dafür gekommen.

    Die Sabika war in diesen Tagen längst nicht mehr nur der Spielplatz der adligen Jugend, und es wurde auch nicht mehr länger nur mit stumpfen Schwertern und Sandsäcken geübt.
    Muhammad und Musa ben Abi Ghassan keuchten, während sie ihre Runden um die Soldaten liefen, die dort ausgebildet wurden.
    »Also«, sagte Muhammad und verlangsamte das Tempo etwas,
    »was gibt es? Du hast mich doch nicht nur hierher gebracht, um mit mir um die Wette zu laufen.«
    »Nein«, gab Musa zu. »Ich… ich wollte das nicht vor dem Rat sagen, Muhammad, aber warum überträgst du den Befehl nicht mir, statt mich hier als Verteidiger zurückzulassen? Warum musst du selbst…«
    »Du meinst«, entgegnete Muhammad und hielt den Blick auf die Laufbahn gerichtet, »du glaubst nicht, dass ich das Zeug zum Feldherrn habe.«
    Musa war um eine Antwort verlegen, und eine Weile trabten sie schweigend weiter. Dann sagte Muhammad: »Ich habe mir Granada zurückerobert.«
    Nun konnte sich Musa nicht länger zurückhalten. Er blieb stehen. »Mit Hilfe des Albairin, der Christen und al Zaghals, der nach Malaga zog, statt hier mit dir zu kämpfen.«
    Ein Zucken überlief Muhammads Gesicht. »Glaubst du, ich weiß nicht, was ihr alle über mich denkt?«, stieß er heftig hervor. »Aber ihr wolltet den Krieg fortführen. Ich werde euch Krieg geben!«

    So blieb Musa ben Abi Ghassan in der Stadt, während Muhammad seinen Rückeroberungsfeldzug begann. Doch die erwartete Ablenkung durch eine Rebellion im Westen blieb aus.
    Der Marquis von Villena, Oberbefehlshaber der Truppen, die Fernando dort zurückgelassen hatte, erfuhr durch Zuträger von dem geplanten Aufstand und versammelte die Bevölkerung von Guadix unter dem Vorwand, eine Zählung durchführen zu wollen, vor den Stadtmauern. Dann ließ er die Stadttore schließen und vertrieb so alle moslemischen Bürger von Guadix aus ihrer Stadt.
    Im Osten war es Muhammad tatsächlich gelungen, einige Burgen und Ländereien zurückzuerobern, doch da kein Aufstand die Christen an der Grenze ablenkte, kam er nicht sehr viel weiter. Und auch hier war dafür gesorgt worden, dass es keine Ernte geben würde. Muhammad kehrte nach Granada zurück, als die Tage immer kürzer wurden, im Herzen die Gewissheit, dass sein Unternehmen bestenfalls einen Aufschub erreicht hatte.

    Die Armee, die diesmal vor Granada stand, war die größte, die Fernando und Isabella je aufgebracht hatten. An alle ihre männlichen Untertanen zwischen achtzehn und sechzig war der Befehl ergangen, sich dem Heer anzuschließen. So groß die Hauptstadt auch war, die christlichen Truppen schnitten alle Zugänge ab. Es war eine vollständige Blockade. Und noch immer griffen sie nicht an.
    Musa ben Abi Ghassan und seine Anhänger versuchten, die Christen durch kleine Ausfälle zum Kampf zu reizen, was anfangs auch gelang, doch dann wurde bekannt, dass die christlichen Könige, die diesmal beide bei ihren Truppen

Weitere Kostenlose Bücher