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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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sprachen, aber jetzt konnte al Zaghal sich nicht mehr zurückhalten.
    »Du kennst meine Meinung: Weiber sind fürs Bett gut, und nur dafür. Du hättest Alscha damals nie so viel Einfluss geben dürfen, und was die Chri… deine zweite Frau betrifft, ich habe nie verstanden, warum du sie unbedingt heiraten musstest. Was haben wir nun davon? Du musst dich fragen, ob dein ältester Sohn nicht besser in Fez geblieben wäre. Aber ich glaube, du irrst dich. Muhammad ist ein guter Junge. Er liebt dich.«
    Heftige Gefühlsausbrüche waren nie Alis Sache gewesen - er hatte einmal gescherzt, seinen Anteil hätte er al Zaghal überlassen -, aber jetzt entgegnete er mit unverhüllter Verbitterung:
    »Das mag so gewesen sein - vor vielen Jahren. Aber ich verstehe ihn durchaus. Erinnerst du dich, was wir für unseren Vater empfanden, mein Bruder?«
    Al Zaghal blickte zur Seite. »Das war etwas anderes.«
    »Das ist es immer.«

    Ali al Atars Tochter Morayma, Muhammads Braut, besaß alle Eigenschaften, die der Koran von einer Frau forderte - Sanftmut, Bescheidenheit, Demut. Sie war gottesfürchtig und respektvoll gegenüber allen Älteren, und Alscha, die wie die meisten Fürstinnen von Granada keine dieser Eigenschaften hatte und das auch nicht für notwendig hielt, war zunächst entzückt von ihr und teilte dies Ali al Atar, mit dem sie über den Brautpreis verhandelte, sofort mit. Muhammad dagegen erblickte seine zukünftige Gattin erst, als sie im Dar al Aruhsa, dem Haus der Braut, ihren Schleier ablegte, um vor ihrem Gemahl und ihrer neuen Familie ihr Gesicht zu enthüllen. Diesmal hatten die Zwillinge darum gebeten, nicht anwesend sein zu müssen, doch ihre Mutter hatte darauf bestanden. Isabel wollte nicht, dass Alscha ihre Abwesenheit als eifersüchtige Schwäche interpretierte. Während Muhammad seine Braut, die in der Tat jenen
    »züchtig blickenden, großäugigen Mädchen gleich einem versteckten Ei«, die der Prophet den Gläubigen im Paradies versprach, glich, spürte Layla einmal mehr all ihre Mängel. »Wie eine verhungerte Katze«, dachte sie.
    Sie hasste jeden Augenblick der Feier, doch sie fand einen gewissen Trost darin, dass all ihre Geschwister anwesend waren, sodass sie und Tariq in der Menge untertauchen konnten. Sie hatte sich hinter dem breiten Rücken von Raschid postiert, einem Bruder, der fast so alt war wie Muhammad, um möglichst von niemandem gesehen zu werden, aber schließlich siegte ihre Neugier, und sie drängte sich an ihm vorbei, um einen Blick auf Morayma zu werfen, als Ali ihre und Muhammads Hände ineinander legte. Der Emir sprach einen Vers aus der dreißigsten Sure, und seine Stimme war die eines geübten Rezitators, was Layla an Ibn Faisal, ihren Lehrer, erinnerte.
    Ibn Faisal hatte den Zwillingen erklärt, dass es eine hohe Kunst sei, den geheiligten Koran richtig zu rezitieren, und Sünde, das Wort Gottes an den Propheten durch stümperhaftes Lesen zu verunzieren. Bisher hatte er ihnen noch nicht gestattet zu zitieren, sondern sie an Gedichten üben lassen.
    Abul Hassan Alis Aussprache war jedoch makellos und offenbarte die Schönheit der Verse, die Layla mit der Schärfe eines Schwertes trafen. » Und zu seinen Zeichen gehört, dass er euch von euch selbst Gattinnen erschuf, auf dass ihr ihnen beiwohnet, und er hat zwischen euch Liebe und Barmherzigkeit gesetzt. Siehe, hierin sind wahrlich Zeichen für nachdenkende Leute.«
    Muhammad löste Moraymas Schleier zur Gänze. Layla starrte zu Boden. Tariq hatte sie inzwischen wiedergefunden und ergriff ihre Hand. In der wortlosen Verständigung von Zwillingen schauten sie einander an, hielten einander fest, und so gelang es ihnen, den Tag in aller Selbstbeherrschung zu überstehen.
    Am nächsten Tag gingen die Feierlichkeiten weiter, aber sie brauchten nicht mehr daran teilzunehmen. Also wanderten sie ungewohnt ziellos durch die Alhambra und beschäftigten sich damit, ihre Lesekünste an den zahllosen Gedichten und Suren zu erproben, die überall an den Wänden geschrieben standen.
    Gewöhnlich fand Layla das recht unterhaltsam, doch weder sie noch Tariq waren mit den Gedanken ganz bei der Sache.
    »Ich heirate nie«, sagte sie und starrte auf die sechs Sternenreihen an der Kuppel, die sich über ihnen wölbte, so fein und gebrochen wie ein gewaltiges Netz, das über der Alhambra lag.
    »Unsinn«, erwiderte Tariq. »Alle Mädchen heiraten.«
    »Ich will aber nicht, und im Übrigen kann ich auch gar nicht, so wie ich aussehe.«
    Tariq zog an

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