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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Schrift sind, selbst wenn sie sie verfälschen. Warum…«
    »Vielleicht war er einfach ein böser Mann, Jusuf, meine ich.«
    »Tariq ben Ali«, sagte Layla und versuchte, den Tonfall ihrer Mutter nachzuahmen, wenn sie ihn tadelte - was sie selten tat -,
    »sei doch nicht so einfältig.«
    Das führte zu einer weiteren Streiterei und zu einer weiteren Versöhnung, und die Zwillinge dachten nicht mehr an die Geschichte von Jusuf dem Juden und seinem Fluch. Es war eine Geschichte von vielen, nur bemerkenswert, weil Ibn Faisal sich so gesträubt hatte, sie zu erzählen.
    Bald danach kamen sie auf den Einfall, sich von ihrer Mutter Kastilisch beibringen zu lassen. Sie hatte es bisher vermieden, aus offensichtlichen Gründen, aber früher oder später würden die Zwillinge es ohnehin lernen müssen - warum also nicht von ihr?

    Erst zu diesem Zeitpunkt wurde es Layla bewusst, dass ihre Mutter nie über ihre Vergangenheit sprach. Niemals. Sie begann nie einen Satz mit »Als ich ein Kind war«, erzählte nie von ihrer Familie oder ihrer Heimat. Ihren christlichen Namen kannten die Kinder nur deshalb, weil Alscha ihn benutzte; sie weigerte sich, Isabel de Solis »Zoraya« zu nennen. Die Zwillinge hatten sie auch nie nach ihrer Zeit als Christin gefragt, zum einen, weil sie keine andere Vergangenheit zu haben schien als ebendie, sie beide geboren zu haben, zum anderen, weil sie von allen anderen ständig an ihre Abstammung erinnert wurden und sie lieber vergessen hätten.
    Isabel brachte den Zwillingen Kastilisch bei. Doch ihre Vergangenheit blieb weiterhin ein Geheimnis, und sie ermahnte ihre Kinder, die Sprache nie vor anderen zu verwenden. Tariq und Layla trösteten sich damit, dass die anderen Kinder früher oder später ebenfalls anfangen würden, die kastilische Mundart zu erlernen, und dann würden sie ihnen meilenweit voraus sein.

    Das nächste Jahr brachte all die Veränderungen mit sich, die Ali befürchtet hatte: Isabella von Kastilien wurde von den Portugiesen anerkannt, der König von Portugal ließ seine Ehe mit ihrer Nichte Juana annullieren und verpflichtete sich, das Mädchen ins Kloster zu schicken, und Isabellas Gemahl Fernando wurde König von Aragon. Neue Gesandte kamen, um den Tribut zu fordern; Abul Hassan Ali weigerte sich, ihn zu entrichten. Die Lage wurde immer gespannter, und es war sehr klug von der Favoritin Zoraya, nie in der Öffentlichkeit mit ihren Kindern in ihrer Sprache zu reden, denn die Gerüchte, wonach sie beschuldigt wurde, eine heimliche Spionin zu sein, flammten wieder auf.
    »Bei Allah dem Barmherzigen«, sagte Ali einmal ärgerlich, als sogar eine Gesandtschaft seiner Verbündeten in Fez auf die Bedenklichkeit einer kastilischen Gemahlin zu sprechen kam,

    »selbst der Prophet, gepriesen sei sein Name, hatte einmal eine Sklavin christlicher Herkunft.«
    Damit hatte er Recht, doch war dieser Hinweis ein zweischneidiges Schwert; die Gemahlinnen des Propheten hatten den Monat, den er mit der Sklavin Maria verbrachte, so übel aufgenommen, dass der Prophet in seine nächste Offenbarung als Vergeltung einen Tadel an seine Frauen einschloss: »Vielleicht gibt ihm sein Herr, wenn er sich von euch scheidet, bessere Gattinnen als euch zum Tausch, moslemische, gläubige, demütige, reuevolle, anbetende, fastende, nicht mehr jungfräuliche und Jungfrauen.«
    Doch niemand hätte gewagt, die Eheschwierigkeiten des Propheten mit denen des Emirs zu vergleichen. Im Übrigen verlagerte sich die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit mehr und mehr von Alscha auf Muhammad. Er vertrat offen die Meinung, die Tributzahlungen sollten wieder aufgenommen werden, um einen Krieg abzuwehren, und die Auseinandersetzungen zwischen ihm und seinem Vater wurden immer häufiger.
    Bezeichnend für die Verquertheit der Lage war, dass Alscha al Hurra von ihrer Einstellung her eigentlich an der Seite ihres Mannes - wenn nicht gar an der des viel radikaleren al Zaghal - stand, aber durch die ganze Entwicklung nicht anders konnte, als lauthals die Ansicht ihres Sohnes zu unterstützen.

    Je älter die Zwillinge wurden, desto mehr graute es Layla vor ihrem zehnten Geburtstag. Sie wusste inzwischen, dass der kleine Sieg damals, der ihr außer Tariqs Gesellschaft noch Ibn Faisals reichen und fruchtbaren Unterricht eingebracht hatte, nur ein Aufschub auf Zeit gewesen war; wenn sie das elfte Lebensjahr erreichten, würde man sie und Tariq tatsächlich und endgültig trennen. Man würde sie auf das Leben einer guten Ehefrau

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