Mondlaub
wieder: »Layla Layla Layla Layla…«
Sie war froh, als der lang gezogene Ruf der Muezzins sie weckte. Obwohl sie sich scheute, irgendjemandem von ihren Träumen zu erzählen, fragte sie Fatima, woran man einen Zauber erkenne, der auf einem liege. »Nun, da gibt es mehrere Anzeichen«, erwiderte die Amme und begann bereitwillig, sie alle aufzuzählen, bis Layla, die keines davon an sich wiederfand, sie unterbrach.
»Und wer verhängt solche Zauber?«
»Oh, von Iblis angefangen bis zum niedersten Dschinn gibt es jede Menge böser Geister, die bestrebt sind, einen Menschen zu unterjochen. Aber du brauchst dich nicht zu fürchten. Wer Allah um Hilfe bittet, dem kann nichts geschehen. Und im Übrigen müsstest du erst so unachtsam sein, einen Geist zu beschwören, also hüte dich nur vor Anrufen und Knotenblasen, und…«
»Ich fürchte mich überhaupt nicht«, schnitt Layla ihr unwillig das Wort ab. Fatimas Gerede erschien ihr inzwischen nicht nur weitschweifig, sondern auch töricht. Sie hätte sich gerne bei Ibn Faisal erkundigt, aber sie wusste, dass er Zauberei grundsätzlich für Aberglauben hielt. Er würde sich Sorgen um ihren Verstand machen, und er mochte Recht damit haben. Sie entschied sich, ihre Träume künftig zu ignorieren; es gab genügend andere Dinge, die sie beschäftigten.
Abul Hassan Ali und Don Rodrigo Ponce de Leon hatten bereits in ihrer Jugend gegeneinander gekämpft; als Heerführer seines Vaters Said hatte Ali den jungen Rodrigo bei Estepa besiegt, aber einen Monat später hinnehmen müssen, dass dieser den Jabal Tariq, den die Christen Gibraltar nannten, eroberte. Infolgedessen kannte er die Fähigkeiten Don Rodrigos und wusste, dass dieser kein Gegner war, den man unterschätzen durfte.
Der Kastilier hatte die Leichen der gefallenen Stadt- und Burgbewohner sorgfältig um die Stadtmauern verteilen lassen. Alle möglichen Aasfresser hatten sich bereits eingefunden, und für Alis Armee war dieses Bild bei ihrer Ankunft ein unerträglicher Anblick. Sie warteten seinen Befehl nicht ab, sondern stürmten wutentbrannt auf die Stadtmauern los, und Abul Hassan Ali blieb nichts anderes übrig, als ihnen zu folgen.
Damit verlor er den Vorteil eines geplanten, organisierten Angriffs, während der Marquis von Cadiz immer noch Herr der Lage war. Überdies war Alhama - wenn die Verteidiger nicht gerade schliefen - eine hervorragend angelegte Festung, die nur sehr schwer erobert werden konnte. Die Attacken der Granader wurden wieder und wieder abgewehrt, und am späten Nachmittag hatte sich die Lage immer noch nicht verändert.
Doch Abul Hassan Ali hatte seine Männer inzwischen wieder völlig im Griff und befahl das Ende der Angriffe. Er hatte die Zeit genutzt und einen neuen Plan entwickelt. Während sie sich ausruhten und frische Kräfte sammelten, wandte er sich an Ali al Atar, Muhammads Schwiegervater und einen der erfahrensten Soldaten im Land.
»Sag den Leuten«, begann er mit gedämpfter Stimme, »sie sollen sich darauf vorbereiten, einen Damm zu bauen. Und sondere genügend Truppen ab, die sicherstellen, dass sie niemand daran hindert.«
»Einen Damm?«, wiederholte Ali al Atar verblüfft. Dann verstand er. Alhama hatte keine Quellen und wenige Zisternen; es bezog das nötige Wasser ausschließlich aus dem Fluss, der an den Stadtmauern vorbeifloss.
»Wir werden sehen«, sagte sein Fürst, »wie lange die Christen es ohne Wasser und ohne Nahrungsnachschub aushalten.«
Don Rodrigo Ponce de Leon stand auf den Zinnen der Burg, die er erobert hatte, und starrte auf das feindliche Feldlager unter sich. Neben ihm standen zwei seiner Hauptleute. Ihre Rüstungen und selbst die Tuniken darunter waren durchtränkt von Blut, Dreck und Wasser - das Ergebnis des fruchtlosen Versuches, die Mauren von ihrem Dammbau abzuhalten. Als Don Rodrigo begriff, was Abul Hassan Ali vorhatte, konnte er sich nicht länger auf den reinen Abwehrkampf beschränken. Er hatte einen Ausfall befohlen und ihn selbst angeführt. Doch außerhalb der Mauern waren die Moslems in der Überzahl, und Ali hatte die Gelegenheit erhalten, die christlichen Streitkräfte um ein gehöriges Maß zu dezimieren. Was, so vermutete Don Rodrigo, auch einer der Gründe für den Dammbau gewesen war.
Er kniff die Augen zusammen.
»Von jetzt an«, sagte er barsch, »bleiben wir in der Stadt. Sie dürfen uns nicht noch einmal herauslocken, ist das klar?«
»Aber das Wasser…«, begann Ortega de Prado. Don Rodrigo deutete auf den Fluss.
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