Mondlaub
geworden.«
»Vater wird die Stadt wieder zurückerobern«, meinte Tariq zuversichtlich.
Layla steckte sich einen Kern in den Mund. »Aber die Leute sind dann doch trotzdem noch tot.«
»Schon, aber man hat sie gerächt. Ich wünschte, mein Bein würde endlich wieder heil. Ich will fechten lernen. Eines Tages werde ich ein großer Krieger, du wirst schon sehen. Noch berühmter als al Zaghal.«
Tariq humpelte immer noch, und als er das sagte, war seine Schwester unsinnig froh darüber. Ruhmreich in der Schlacht zu sterben, mochte ein erstrebenswerter Tod sein. Doch Layla entdeckte, dass sie Ruhm dieser Art nicht für ihren Zwillingsbruder wollte. Impulsiv küsste sie ihn auf die Wange.
Nach dem Abendgebet, als sie ins Bett ging, stellte sie fest, dass er ihr einen Dornenzweig hineingelegt hatte, und ihre schwesterliche Zuneigung sank um ein Beträchtliches. Sie nahm sich vor, sich am Morgen grausam zu rächen, und zerbrach sich den Kopf nach dem geeignetsten Mittel. Darüber schlief sie ein, und als sie erwachte, war ihre Kindheit zu Ende.
Es war noch Nacht, soviel konnte Layla durch das Fenster erkennen, aber das Lärmen und die Schritte, die sie aufgeweckt hatten, zeigten an, dass etwas nicht stimmte. Sie war noch dabei, sich in aller Hast anzukleiden, als ihre Mutter in das Zimmer trat, das zu ihren eigenen Gemächern gehörte. Seit Tariqs Unfall hatte Layla Isabel nicht mehr so erlebt. Sie half ihrer Tochter wortlos; als Fatima mit Tariq kam, seufzte sie erleichtert auf.
Inzwischen hatte Layla ihre Stimme wiedergefunden. »Was ist geschehen?«
»Ich glaube, der Palast wird überfallen«, sagte Tariq aufgeregt.
»Unsinn«, erwiderte seine Mutter scharf. »Keine Armee kommt auch nur in die Nähe der Stadt, ohne dass Alarm geschlagen wird, geschweige denn in die Zitadelle.«
Layla schauderte, als sie an das Schicksal der Bewohner von Alhama dachte, und rückte etwas näher an ihre Mutter heran.
Fatima schüttelte den Kopf. Die gewöhnlich ausufernde Herzlichkeit der Amme hatte sich in angsterfüllte Präzision verwandelt.
»Es sind die Banu Sarraj«, sagte sie. »Ich habe ein paar von ihnen erkannt, auf dem Weg hierher. Es sind die Banu Sarraj, Sejidah.«
»Aber sie könnten doch nicht in den Palast, ohne…« Isabel erstarrte plötzlich. Dann befahl sie Fatima, so schnell wie möglich alles Notwendige für eine längere Reise zu packen. Sie musterte ihre Kinder und runzelte die Stirn.
»Dein Schleier«, sagte sie zu Layla. »Tariq, leg diesen Tailasan ab. Er ist zu auffällig.«
»Was ist denn…«, begann ihre Tochter, und sie wirbelte herum.
»Himmel«, sagte sie auf kastilisch, »habt ihr denn noch immer nicht begriffen, Kinder? Das sind nicht nur die Banu Sarraj. Das sind Muhammad und seine Mutter und bestimmt die halbe Stadt!«
»Wie ich sehe«, kommentierte die gelassene Stimme von Alscha al Hurra, »habt Ihr Euch bereits reisefertig gemacht. Ich kann das nur begrüßen. Allerdings reist Ihr nicht weit. Die Gefängnisse liegen nur ein paar Stockwerke tiefer.«
Alscha stand am Eingang, neben ihr Ali al Atar, einer der Banu Sarraj und Muhammad, der die Stirn runzelte, als er Alschas letzte Worte hörte.
»Das ist nicht nötig, Mutter«, sagte er, dann wandte er sich an Isabel. Sie schauten einander an; Layla versuchte, etwas zu Muhammad zu sagen, doch die Worte blieben ihr in der Kehle stecken, und sie erkannte, dass für ihn und ihre Mutter kein anderer Mensch im Raum zu existieren schien.
»Ihr habt es gehört«, sagte Muhammad endlich kalt. »Haltet Euch bereit. Sobald sich alles beruhigt hat, könnt Ihr Granada verlassen. Ich werde Euch eine Eskorte geben, die Euch aus der Stadt bringt.«
Alscha öffnete den Mund, Ali al Atar desgleichen, doch es war Isabel, die als Nächste sprach. »Wie großzügig«, antwortete sie lächelnd. »Wie ehrenhaft. Wann wird der kleine Reitunfall stattfinden?«
Muhammad wurde weiß im Gesicht. Er hob die Hand, und einen Moment lang glaubten die Zwillinge, er würde ihre Mutter schlagen, und traten instinktiv einen Schritt vor, um sie zu beschützen. Doch er tat es nicht. Stattdessen wandte er sich ab.
»Haltet Euch bereit«, warf er ihr über die Schulter zu.
Ali al Atar war offenbar nicht gesonnen, das hinzunehmen.
»Muhammad!«, protestierte er. »Du kannst dieses Weib und ihre Bälger doch nicht gehen lassen! Hier haben wir die Gelegenheit, das Unheil von Granada ein für alle Mal zu vernichten!«
»Das Unheil von Granada«, sagte Tariq
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