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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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als Lehen verleihen.
    Wahrscheinlich hatte ihn Alschas Gesandter mit neuer Kleidung versorgt, jedenfalls erschien er kaum weniger prächtig als die Könige. Aber sein Gesichtsausdruck war maskenhaft, und er schritt sehr steif auf Fernando und Isabella zu. Kurz vor ihnen blieb er stehen. Die Königin neigte den Kopf.
    »Wir begrüßen«, sagte sie mit heller, die ganze Halle erfüllender Stimme, »unseren neuen Lehnsmann, den Fürsten von Granada.«

    Alles wartete. Langsam kniete Muhammad nieder und küsste ihre Hand. Dann streckte auch Fernando seine Hand aus.
    Muhammad blieb reglos.
    »Er wird es nicht wagen!«, flüsterte jemand hinter Layla schockiert. Fernandos Rücken wurde sehr gerade, aber er hielt seine Hand weiter ausgestreckt. Muhammad beugte sein Haupt, und ein allgemeines Aufseufzen ging durch die Halle. Doch kurz bevor er tatsächlich die Hand des Königs berührte, zog Fernando sie wieder zurück.
    »Das ist nicht nötig«, sagte er, freundlich wie ein Geier, der sich schon satt gefressen hat. »Erhebt Euch, Boabdil. Ich vertraue auch so auf Eure Vasallentreue und Eure Freundschaft.«

    Die Hofdamen flatterten um Isabella wie aufgeregte Motten.
    »Oh, der König war so großmütig heute!«
    »Und das einem Ungläubigen gegenüber, einem Mauren!« Die Königin von Kastilien überraschte ihre Damen, indem sie sich an die jüngste unter ihnen wandte. Layla hatte sich in die hinterste Ecke des Gemachs zurückgezogen und gehofft, so schnell wie möglich verschwinden zu können.
    »Ihr schweigt, Doña Lucia«, sagte die Königin, und schon die Tatsache, dass sie das Mädchen ansprach, machte aus der Feststellung eine Frage. Ihre dunklen Augen fixierten Layla unverwandt.
    »Es war«, entgegnete diese, um eine ebenmäßige Tonlage bemüht, »in jeder Beziehung die Tat eines christlichen Ritters und übertraf sicher alle vorherigen Taten christlicher Ritter.«
    Isabellas Miene wurde hart, und ihr kräftiges Kinn trat deutlicher hervor. Unwillkürlich fuhr Layla mit der Hand an ihr eigenes. Aus irgendeinem Grund schien diese Geste die Königin zu besänftigen. »Ihr seid noch sehr jung, Doña Lucia«, sagte sie und wandte sich ab. Aber durch den Spiegel, der vor ihr stand, konnte sie das Mädchen noch weiter beobachten. Layla verbeugte sich und wollte gehen, als Isabella, den Blick in den Spiegel gerichtet, hinzufügte: »Ihr habt meine Erlaubnis, Euren Bruder so oft zu besuchen, wie Ihr wollt. Er wird unsere Gastfreundschaft noch länger genießen, so lange, bis sein Sohn als Geisel eintrifft und ihn an unserem Hof ersetzt.«

    Die riesige Palastanlage von Cordoba, Medinataz-Zahra, die einmal so berühmt gewesen war wie die Alhambra - in der Tat noch berühmter, denn die Kalifen hatten sie zu einem Juwel von al Andalus gemacht -, war völlig zerstört worden, und nur noch Trümmer waren von der ehemaligen Pracht geblieben. Die derzeitige Residenz der Könige, die Alcazaba, war eigentlich nur die Festung für Kriegszeiten gewesen, doch immer noch prächtiger als die meisten christlichen Burgen, obwohl ein Jahrhundert kastilischer Umbauten die ursprüngliche Harmonie der Formen empfindlich beeinträchtigt hatte.
    Nur die Gärten waren noch so, wie sie die Augen der Kalifen und ihrer Wesire erblickt hatten. Dorthin ging Layla, als am nächsten Tag das Fest für den Grafen de Cabra und seine Männer stattfand, um sie für die Gefangennahme Muhammads zu ehren. Sie hatte das neue Wappen gesehen, das der Graf auf kö niglichen Beschluss hin nun führen durfte - ein gekrönter Araberkopf, um den Hals eine goldene Kette.
    »Aber ist es nicht das, was du dir gewünscht hast?«, fragte Jusuf, der mit einem Mal neben ihr ging. Sie schüttelte nur stumm den Kopf, obwohl er Recht hatte. Es war nicht Muhammads, teilte sie sich selbst mit, es war die Demütigung Granadas, die sie so traf.
    Die Bäume warfen kühlende Schatten auf ihren Weg, und der betäubende Duft des Oleanders hüllte sie ein.
    »Glaubst du«, sagte Layla plötzlich, »er hat die Wahrheit gesagt - über meine Mutter?«

    Jusuf gestattete sich ein Achselzucken. »Das macht keinen Unterschied… Lucia«, erwiderte er.
    »Aber«, die Worte drangen fast wie gegen ihren Willen aus ihr,
    »es hätte alles anders kommen können - wenn er sie geheiratet hätte, und nicht…«
    »Du bist ein Kind«, sagte Jusuf missbilligend. »Alscha hätte nie zugelassen, dass ihr Sohn eine christliche Sklavin zu seiner Gemahlin nimmt. Nur spielt es wirklich keine Rolle. Schau ihn

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