Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
nicht ewig in Cordoba verweilen, und reiste ab. »Nun, Mädchen, ich bin froh, dass die Königin so gnädig war, dich aufzunehmen. Falls dir irgendjemand einen Heiratsantrag machen sollte, der kein Jude und kein Bauer ist, dann lass es mich wissen, und wenn die Ehre der de Solis es gestattet, werde ich ihn annehmen. Also, leb wohl, und denk immer daran, dass du eine de Solis bist!«
    Layla hütete ihre Zunge. Sonst hätte sie ihm höchstens zeigen können, wie sich ihr kastilischer Wortschatz erweitert hatte -
    »Fahr zur Hölle« war noch das Harmloseste, was ihr auf den Lippen lag.
    Wenn der alte Mann noch drei Tage länger geblieben wäre, hätte er erleben können, wie die Majestäten von Aragon und Kastilien einen arabischen Fürsten empfingen. Die Calatrava-Ritter, der Orden von Santiago, alles erschien in blank polierten Rüstungen und mit vollem Gefolge. Die Mönche in ihren unscheinbaren schwarzen und braunen Kutten waren in so großer Zahl anwesend, um allein auf diese Weise zu beeindrucken. Die Kö nigin trug ein reich besticktes blaues Gewand, der König hatte sich an Rot gehalten. Unmittelbar an ihrer Seite standen die Infanten, die älteste Tochter und der Sohn des Paares, außerdem noch drei Männer, von denen zwei wie Mönche aussahen und der dritte, dem roten Kreuz auf seinem weißen Wams nach zu schließen, ebenfalls Geistlicher war.
    »Das ist Kardinal Mendoza«, erklärte Doña Catalina Layla auf ihre Nachfrage hin ehrfürchtig. Mendoza war gekleidet wie ein kastilischer Hidalgo, was nur der Realität entsprach. Layla hatte viele Geschichten über ihn gehört, sowohl in Granada - wo er der berühmteste Christ nach dem Marquis von Cadiz war - als auch hier. Don Pedro de Gonzales de Mendoza war der jüngste Sohn einer der bedeutendsten kastilischen Familien und auf dem Schlachtfeld ebenso zu Hause wie in der Kirche. Er hatte im Krieg gegen Portugal für Isabella gekämpft und durch sein Draufgängertum fast allein die Schlacht von Pelegonzalo entschieden. Außerdem, wie sie nun von den klatschfreudigen Hofdamen erfuhr, hatte er mindestens drei uneheliche Söhne.
    »Wisst Ihr, wie er sie der Königin vorgestellt hat?«, wisperte Luisa.
    »Er sagte: ›Hier sind meine hübschen Sünden.‹«
    »Oh«, sagte Doña Maria.
    Die beiden Mönche neben ihm sahen eher wie Asketen denn Ritter aus. »Der Beichtvater der Königin«, erläuterte Doña Luisa hilfreich. »Fray Hernando de Talavera. Talavera ist die Stadt, aus der er kommt, aber niemand kennt seine Eltern, man weiß nur, dass sie conversos sein sollen. Denkt nur! Der Beichtvater der Königin - ein Jude!«
    »Ihr redet zu viel, Doña Luisa«, mischte sich Doña Catalina tadelnd ein. »Fray Hernando de Talavera wird von der Königin hoch geschätzt.«
    Eine andere Hofdame lenkte ihre Aufmerksamkeit ab, und Luisa sah sich in der Lage, weiter zu klatschen. »Natürlich schätzt ihn die Königin. Wisst Ihr, er hat damals die Kirchenschätze pfänden lassen, um ihr Geld für den Krieg gegen Portugal zu beschaffen. Aber als sie ihn zu ihrem Beichtvater machte und er sich hinknien sollte, stellt Euch vor, was er da gesagt hat! ›Ihr seid hier vor dem Gericht Gottes‹, sagte er zu Ihrer Majestät, ›was bedeutet, ich sitze und Ihr werdet knien.‹«
    »Wie hat die Königin geantwortet?«, fragte Layla neugierig.
    »Sie lachte und meinte, er sei genau der Mann, den sie brauche. Und sie kniete sich hin.«
    Das brachte Laylas Gedanken wieder auf Muhammad. Um sich abzulenken, erkundigte sie sich nach dem dritten Geistlichen, der so nahe bei der königlichen Familie stand. Diesmal hatten weder Luisa noch die anderen Damen viel zu erzählen.
    »Fray Tomas de Torquemada«, sagte Luisa kurz. »Der Großinquisitor.«
    Trompeten erklangen, und Layla wandte ihre Augen von den dreien ab. Der Ausrufer kündigte Boabdil an, den Emir von Granada. Ein bitterer Geschmack erfüllte ihren Mund. Sie hatte schon länger bemerkt, dass die Kastilier und Aragonier Schwierigkeiten mit den arabischen Namen hatten und dazu neigten, sie zu verkürzen oder ihrer Sprache anzupassen - aus Ibn Sina wurde Avicenna, aus Ibn Ruschd Averroes, Abu Abdallah Muhammad ben Ali wurde zu Boabdil, und Abul Hassan Ali wurde Mulay Hassan -, aber dass sie sich noch nicht einmal hier bei Hof Mühe gaben, die Namen richtig auszusprechen, war ein Zeichen dafür, wie sehr sie sich schon als die Sieger sahen.
    Und Muhammad, dachte seine Schwester, spielte ihnen in die Hände, ließ sich von ihnen Granada

Weitere Kostenlose Bücher