Mondlicht steht dir gut
dortigen Gäste an Grippe erkrankt und die Fehldiagnose daher verständlich war, und daß der Mann, der sich beschwerte, sowieso ständig an allem etwas auszusetzen hatte, von der Heißwassertemperatur über quietschende Türen bis zu zugigen Fenstern.«
Er stand auf. »Ich finde diese Fragen beleidigend. Ich schlage vor, daß Sie sofort dieses Haus verlassen. Wie es aussieht, haben Sie unsere Gäste ohnehin schon zutiefst beunruhigt. Irgend jemand hielt es anscheinend für nötig, jeden hier davon zu unterrichten, daß Sie kommen.«
»Das dürfte Schwester Markey sein«, erklärte Brower.
»Bitte sagen Sie mir, wo ich sie finden kann.«
Zelda Markey machte keinen Hehl aus ihrer Ablehnung, als sie in dem kleinen Raum im ersten Stock, der ihr als Büro diente, Brower und Haggerty gegenübersaß. Ihr scharf geschnittenes Gesicht war rot vor Zorn, in ihren Augen lag kalte Wut.
»Meine Patienten brauchen mich«, sagte sie trotzig. »Sie wissen, daß Janice Nortons Mann Selbstmord begangen hat, und sie haben von einem Gerücht gehört, daß Janice hier irgend etwas Illegales gemacht hat. Sie sind sogar noch mehr beunruhigt, seit sie erfahren haben, daß Maggie Holloway vermißt wird. Alle, die sie kennengelernt haben, hatten sie sehr gern.«
»Hatten Sie sie ebenfalls gern, Miss Markey?« fragte Brower.
»Ich kannte sie nicht gut genug, um mich mit ihr anzufreunden. Bei den wenigen Gelegenheiten, als ich mit ihr gesprochen habe, fand ich sie sehr nett.«
»Miss Markey, Sie sind doch mit Earl Bateman befreundet, richtig?« fragte Brower.
»Für mich setzt Freundschaft echte Vertrautheit voraus. Ich kenne und bewundere Professor Bateman. Er war, wie die ganze Familie, sehr besorgt um seine Tante, Alicia Bateman, die im Seaside Nursing Home zur Pflege war, wo ich früher gearbeitet habe.«
»Die Batemans waren ja auch sehr großzügig zu Ihnen, nicht wahr?«
»Sie hatten das Gefühl, daß ich mich hervorragend um Alicia gekümmert habe, und haben freundlicherweise darauf bestanden, das zu honorieren.«
»Ich verstehe. Ich würde gerne wissen, weshalb Sie der Ansicht waren, ein Vortrag über den Tod könnte für die Bewohner des Latham Manor von Interesse sein. Finden Sie nicht, daß sie damit schon bald genug konfrontiert werden?«
»Chief Brower, ich bin mir bewußt, daß diese Gesellschaft einen Horror vor dem Begriff ›Tod‹ hat. Aber die ältere Generation sieht das viel realistischer. Mindestens die Hälfte unsrer Gäste hat präzise Anweisungen für ihre eigene Bestattung festgelegt, und tatsächlich machen sie sogar häufig Scherze darüber.«
Sie zögerte. »Allerdings möchte ich sagen, daß ich den Eindruck hatte, Professor Bateman wolle einen Vortrag über Königsbegräbnisse im Lauf der Zeiten halten, was natürlich ein recht interessantes Thema ist. Wenn er dabei geblieben wäre …« Sie schwieg einen Moment, um dann fortzufahren: »Und ich bin auch bereit zuzugeben, daß der Einsatz der Glocken ein paar Leute aufgeregt hat, aber die Art, wie Mrs. Sarah Cushing Professor Bateman behandelt hat, war unverzeihlich. Er wollte niemandem etwas zuleide tun, und trotzdem hat sie ihn unmöglich behandelt.«
»Glauben Sie, daß er sehr zornig war?« fragte Brower mit milder Stimme.
»Ich glaube, daß er gedemütigt wurde und dann vielleicht zornig war, ja. Wenn er nicht gerade einen Vortrag hält, ist er im Grunde genommen sehr schüchtern.«
Haggerty blickte von seinen Notizen auf. Eine unmißverständlich weiche Note war in Tonfall und Ausdruck der Pflegeschwester aufgetaucht. Interessant. Er war sicher, daß Brower es ebenfalls bemerkt hatte. Freundschaft setzt Vertrautheit voraus. Mich dünkt, die Lady protestiert wahrlich zu sehr, dachte er.
»Schwester Markey, was wissen Sie über eine Skizze, die Mrs. Nuala Moore zusammen mit der kürzlich verstorbenen Mrs. Greta Shipley gezeichnet hat?«
»Absolut gar nichts«, erwiderte sie kurz.
»Sie war in Mrs. Shipleys Apartment. Sie scheint nach ihrem Tod verschwunden zu sein.«
»Das ist absolut unmöglich. Das Zimmer oder Apartment wird unverzüglich abgeschlossen. Alle wissen das.«
»Ah-hmmm.« Browers Ton wurde vertraulich. »Schwester Markey, nur unter uns, was halten Sie eigentlich von Dr. Lane?«
Sie musterte ihn scharf und machte eine Pause, bevor sie antwortete. »Selbst wenn das bedeutet, einem Menschen weh zu tun, den ich wirklich schätze, bin ich inzwischen bereit, wieder eine Stelle zu verlieren, um meine Meinung zu sagen. Ich würde Dr. Lane nicht mal
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